Sonntag, 13. Februar 2011
IA, Tag 015: Dungarpur-Godhra
Tag 15: 12. Februar 2011, Godhra, Indien, km 01’448
Heute überschreiten wir die Grenze zwischen zwei Provinzen: wir fahren raus aus Rajasthan und hinein in Gujarat. Der Unterschied ist frappant. Die Leute sind viel weniger freundlich, antworten nur selten, wenn man sie auf der Strasse begrüsst. Auch sind sie hier viel schmutziger. Auch das Personal in den Hotels ist nicht mehr so zuvorkommend. Gerne schauen sie einem zu, wie wir unser Gepäck mehrere Stöcke hinauf tragen. Im Rajasthan durfte man dagegen seine Taschen nicht selbst tragen. Tat man es dennoch, war das Personal gleich beleidigt.
Auf den Feldern werden hier viele Gewürze angepflanzt. Es schmeckt nach Anis und Liebstöckel. Auch der Verkehr ist anders, nicht mehr so gemütlich und rücksichtsvoll, aber immer noch viel ruhiger als in der Schweiz!
Das Hotel, in dem wir heute untergebracht sind, ist katastrophal. Vom absoluten Klassehotel gestern direkt in eine Höhle ohne nichts. Keine Dusche, kein Toilettenpapier (Toilette? Ja doch! Irgendwo im „Badezimmer“ ist ein Loch, dass diesem Zweck zu dienen scheint), keine Schlösser an den Türen, keine Leintücher, keine Badetücher, einfach nichts. Ah doch, da war doch noch etwas. Ein Kabel-Geklüngel, das einen Kasten vor dem Herunterfallen rettet. Ältere Generationen erinnern sich noch, dass man früher damit telefonieren konnte. Und da war noch eine Decke über dem Bett. Sehr dünn, sehr sehr dünn. So dünn, dass ich sie heute Nacht ohne Schaden zu nehmen hätte rauchen können.
Aber genug des Spotts, schliesslich sind wir in Indien und manch Einheimischer wäre froh, er könnte in einer solchen Behausung wie unser Hotel leben. Da das Hotel auch kein Restaurant hat, müssen wir zum Nachtessen in ein nahe gelegenes Restaurant wechseln. Per Tucktuck, für 20 Rupies pro Fahrt, das sind pro Person 20/3 Rupies, oder umgerechnet weniger als 15 Rp. pro Person (und wir in der Schweiz rühmen uns über die günstigen öffentlichen Verkehrsmittel!). Obschon der Tourverantwortliche Stunden vorher angerufen hat und genaue Anweisungen gegeben hat, ist natürlich nichts bereit. Wir versammeln uns in einem leeren Raum. Mit der Zeit kommen Stühle, später ein paar Tische. Nach ein bisschen mehr Zeit sogar Tischtücher. Der Versuch, die Tischtücher umzudrehen, um sie weniger schmutzig erscheinen zu lassen, missglückt leider. Mit der Zeit kommen Colaflaschen, Wasserflaschen (alles bereits in der Küche geöffnet, was einzelne von uns etwas nervös macht) und … das Buffet, das ausgezeichnet schmeckt, wenn für viele auch ein bisschen zu scharf. Die Nase läuft, aber wenn man ein paar mal danach fragt und lange genug wartet, gibt es auch Servietten. Nur muss man diese mit schweren Gegenständen beschweren, sonst fliegen sie wegen den vielen und starken Ventilatoren gleich weg. Hier in Indien ist das Personal extrem flink, was das Abräumen angeht. Kaum macht eine Flasche den Anschein, als könnte sie leer sein, kaum ist ein Teller ohne bedeutenden Inhalt, kaum ein Besteck aus der Hand gelegt, wird abgeräumt. Und zwar ganz hinterhältig, von hinten, ohne Vorwarnung, so dass man es sicher zu spät merkt. Und schon ist der so begehrte letzte Schluck Cola, der letzte beiseite geschobene Lieblingsbissen weg!
Nach der Rückfahrt zum Hotel besuchen wir noch einen Vergnügungspark, etwas wie unsere Herbstmesse, einfach viel kleiner … und älter, so sieht es von ferne zumindest aus. Aber es ist nicht unbedingt viel älter. Es sind Nachbauten von Bahnen, wie wir sie vielleicht von 20-30 Jahren hatten. Nicht dumm, die Inder, um das ganze vier billiger zu bauen, lassen sie alles Unwichtige weg. Geländer sucht man vergebens. Überhaupt fehlen alle Sicherheitsvorkehrungen wie mechanische und elektrische Abdeckungen. Eine Zeitlang schaue ich einem kleinen Knaben zu, wie er in einem kleinen Auto seine Kreise zieht. Die Anlage besteht aus einer zentralen Achse, die einfach im Boden steckt. Daran befestig eine horizontale Stange, die am anderen Ende das kleine Auto hält, in dem besagter Junge sitzt. Ein Draht führt von einem Pfosten, der gleichzeitig als Schalter dient (man legt einfach den blanken Draht auf eine unter Strom stehende Platte), ins Zentrum, wo sich der nackte Antrieb befindet. Da der rückführende Draht fehlt, springt der Strom wahllos vom Antrieb auf die nächstgelegenen Gegenstände, die den Strom in die Erde zurückführen. Im Dunkeln sieht man Lichtbögen in allen Farben, zentimeterlang. Alle haben ihren Spass, insbesondere der Junge in seinem Auto.
Natürlich falle ich sofort auf und da die Inder sehr neugierig aber nicht ängstlich sind, bin ich immer gleich von einer Gruppe von jugendlichen Männern umgeben (Frauen bleiben fern, das lässt ihre Kultur nicht zu). Wo ich herkomme ist immer die erste Frage. Wenn ich „Switzerland“ antworte, habe ich schnell wieder meine Ruhe, da sie die Schweiz nicht richtig einordnen können und sie sich das nicht anmerken lassen wollen. Sage ich hingegen „Germany“ oder „Canada“, geht das Gespräch weiter. Anhand einer mir sehr schwer verständlicher Zeichen- und Körpersprache ringen sie mir ein „Indiaisbiutivul“ ab, was sie dann gleich in Extase versetzt. Wie immer sind sie total friedlich, Gewalt kennen sie hier nicht. Und zudem haben sie Respekt vor mir, bin ja zwei Kopf grösser und mindestens 30kg schwerer.
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