Mittwoch, 30. September 2009

SA, Tag 066: Ruhetag in Caldera


Tag 066: 29. September 2009, Caldera, Chile, km 06’031

Schon wieder Ruhetag. Diese sind bei mir ziemlich unbeliebt, weil ich so aus dem Rhythmus komme. Alles tut irgendwie weh, und ich habe zu nichts Lust, obschon ich so viel zu tun hätte. Zudem habe ich gestern zu viel gegessen, was meinem lädierten Magen nicht gut getan hat. Ich hoffe, dass ich nicht dafür werde büssen müssen, denn der Magen ist ein wichtiges Organ, wenn man so unterwegs ist. Wo sollen denn die so benötigten Kalorien sonst herkommen, wenn nicht vom Magen? Die Kalorienzufuhr scheint ohnehin ein Problem zu sein, denn ich habe in den letzten Wochen massiv abgenommen, obschon ich wie ein Mähdrescher esse. Morgens viel Getreide oder Porridge, das ich mit Honig, Früchte und Milch anreichere, dazu ein Paar Kompfischnitten und einen Kaffee. Zum Mittag ein paar Sandwichs aus dunklem Brot mit Mayonnaise, Käse, Wurst und viel Gemüse, alles mit einem Sprutz Salz. Unterwegs oder spätestens bei der Ankunft ein paar Energie-Bars und ein paar Tassen kräftige Suppe (zB Erbsen- oder Linsensuppe). Später aber noch deutlich vor dem Nachtessen viel Cola und Erdnüsse, mit Mandeln durchmischt. Und zu guter Letzt noch ein kräftiges Nachtesse (wer mich kennt, weiss, was ich mit kräftig meine). Manchmal wache ich in der Nacht auf und esse noch ein paar Energie-Bars. Dazu kommen noch die unzähligen Glacés und Kuchen, die ich unterwegs esse, wenn sich dazu die Gelegenheit gibt (etwa bei Städtedurchfahrten oder an den Tankstellen).
Heute habe ich Barbara angerufen, per internationalem Telefon. Das ist gar nicht so einfach zu finden hier (im Gegensatz dazu ist ein Internet-Kaffee viel einfacher zu finden). Es kommt mir so komisch vor, ihre Stimme zu hören und nach über 2 Monaten wieder mal Baseldütsch zu reden. Auch sie scheint ganz bewegt, denn der Anruf war ja nicht angekündigt.
Ob ich Heimweh habe, wurde ich schon gelegentlich gefragt. Eigentlich nicht unbedingt. Es ist nicht mein Zuhause oder meine Arbeit die ich vermisse, sondern meine Familie und meine Freunde. Und eigentlich wünsche ich mir nicht, zu Hause zu sein, sondern ich wünsche mir meine Familie und meine Freunde hier, mit auf meiner Reise. Das wäre so schön. Überhaupt mangelt es mir hier an Kommunikation. Natürlich sprechen wir alle untereinander, und mittlerweile kenne ich die Leute doch recht gut, aber mehr ist es nicht. Vom Weltgeschehen sind wir total abgetrennt, kein Radio, kein Fernsehen, keine Zeitung, welche wir wegen der Sprache ohnehin nicht verstehen würden. Unser Koch, Miles, der sich auch viel fürs Kino interessiert, hat mich kürzlich angesprochen und mir gesagt, dass Roman Planski in der Schweiz verhaftet wurde (dass er seit langem von den Amerikanern verurteilt wurde, wusste ich zwar schon lange) und das Fabian wieder mal Weltmeister ist. Das ist so ziemlich alles, was ich in den letzten Wochen von der Welt mitbekommen habe. Ah ja, und dass wir einen neuen Bundesrat haben (was den Weltverlauf auch nicht verändern wird). In der Regel ist es das erste, was ich mache, wenn ich an einem Ort mit WiFi-Verdacht eintreffe: meine e-mails lesen. Ich weiss, dass ich sie nicht immer sofort beantworte, das aber nur weil mir die Zeit dazu fehlt (wenn ich Zeit hätte, zB in der Wüste, ist kein Netz vorhanden, und wenn ich ein Netz hätte, fehlt mir die Zeit). Auch möchte ich alle dazu auffordern, meinen Blog zu kommentieren. ZB könntet ihr Anregungen zu meine Blog reinschreiben oder wissenswertes über Städte und Länder ergänzen. Auch diese Infos sind hier manchmal schwer zu beschaffen, und aus Gewichtsgründen kann ich keinen Riesenreiseführer mitführen. Und für alle unbeantworteten Mails und Kommentare will ich mich an dieser Stelle schon entschuldigen.

Dienstag, 29. September 2009

SA, Tag 065: Tres Playitas-Caldera




Tag 065: 28. September 2009, Caldera, Chile, km 06’031

Wir sind jetzt endgültig in der Wüste angekommen. Kaum zu glauben. Rund um Santiago war noch alles so grün und feiss, und hier, circa 800 km weiter nördlich, sind wir im Sand. Nichts als Sand und ein paar grosse Steine, die sich hierher verirrt haben. Wo sie genau herkommen, ist mir ein Rätsel. Anfangs konnte die Wüste noch mit rotem oder gelbem Sand aufwarten. Die Farben sind aber immer mehr einem langweiligen Grau gewichen. Das einzige, was man hier hört, sind die eigenen Reifen und der Wind, der durch die Strassenschilder wimmert. Die Dörfer und Städte machen sich immer rarer und sind meist an der Küste, unmittelbar zwischen Wüste und Pazifik, der hier tiefblau ist.
Heute haben wir tatsächlich die 192 km zurückgelegt. Zum Glück konnten wir die ersten km im Truck zurücklegen, das hat uns das Leben heute doch erheblich erleichtert, denn es war auch so schwer genug. Die ganze Strecke auf einer Naturstrasse (wenn auch gut hergerichtet). Nicht einfach zu managen, denn auf der eigentlichen Fahrbahn ist es relativ rau, so dass man viel an Schwung verliert. Auf einer solchen Strecke muss man haushälterisch mit seinen Ressourcen umgehen. Deshalb fahre ich zwischen Fahrbahn und Böschung. Dort liegt immer so ein Sandstreifen, vielleicht 1 m breit. Dieser Streifen ist natürlich für das Biken völlig ungeeignet, weil der Sand viel zu tief ist. Aber unmittelbar zwischen Fahrbahn und Sandstreifen liegt der Sand ganz dünn, so dass er die Unebenheiten der Fahrbahn ausfüllt, ohne dass der Fahrwiderstand merklich heraufgesetzt wird. Die nutzbare Breite dieses begehrten Streifens ist vielleicht 5-10 cm, und genau da fährt man. Das erfordert natürlich eine permanente Konzentration, sonst landet man im Sand resp. am Boden. Es gibt jeweils zwei Optionen, der linke und der rechte Strassenrand. Da es hier (fast) keinen Verkehr gibt, sind beide Optionen gleichwertig. Heute habe ich ca. 80% der Strecke auf der linken Strassenseite zurückgelegt, weil dort die Bedingungen einfach besser waren.
Und dann ist mir noch der Bidonhalter gebrochen! Meine Theorie, wonach es keine Zubehör gibt, das den Strapazen widersteht, bewahrheitet sich mehr und mehr. Dies obschon ich zu Hause meine Accessoires über Jahre hinaus sorgfältig ausgesucht habe. Das einzige, auf das man sich hier verlassen kann, ist der Rucksack.
Die nächsten zwei Nächte werden wir in einer netten Herberge verbringen, denn morgen ist Ruhetag. Und zur Begrüssung gibt es gleich ein Willkommens-Erdbeben, die man in Chile ernst nehmen muss. Meines Wissens wurden hier in der Vergangenheit das grösste Erdbeben überhaupt gemessen.

Montag, 28. September 2009

SA, Tag 064: El Hinguero-Tres Playitas


27. September 2009, Tres Playitas, Chile, km 05’879

Heute geht es mir wieder einigermassen gut, benutze aber den noch den Truck, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich die anspruchsvolle Fahrt durchstehen würde. Da die Strasse für die Biker extrem rau ist und die Kurven sehr eng werden, muss der Truck die letzten km vom Vortag zurückfahren und einen riesigen Umweg fahren. Das gibt mir die Gelegenheit, die Umgebung etwas zu studieren (gestern habe ich auf der gesamten Fahrt geschlafen). Und jetzt ist mir auch klar, was hier abgeht. Wir befinden uns in einem Gebiet, in dem Kupfererze vorkommen. Ursprünglich von Hand abgebaut (deshalb die Geisterstädte), werden sie mit immer ausgeklügelten Technologien abgebaut. Der steigende Kupferpreis fördert diese Entwicklung noch. Überall wird nach Kupferadern gesucht, und wird mal eine solche gefunden, wird sofort eine Strasse gebaut und die Ader ausgebeutet. Darum die vielen Strassen in die Berge.
Trotz des Umwegs kommen wir relativ früh auf dem Zeltplatz an, der an einer extrem windigen Stelle liegt. Das Aufstellen des Zeltes ist fast unmöglich, aber irgendwie kriege ich es hin. Mein Zelt (ein Hilleberg Staika, welches auch für Himalaja-Expeditionen verwendet wird) ist für solche Extremsituationen gemacht, andere haben da viel einfachere Zelte. Ob die eine ruhige Nacht haben werden?
Es ist immer noch kalt, aber trotzdem wage ich einen Schwimm im Pazifik. Bald werden wir ins Landesinnere einschwenken, und dann ist fertig Pazifik. Ich nutze also eine dieser letzten Gelegenheit und … er ist sehr kalt, sehr sehr kalt … aber ich war drin. Da ich heute Zeit habe und die Sonne scheint, überprüfe ich einen alten Verdacht: auf der südlichen Hemisphäre geht dar Schatten in die falsche Richtung, d.h. von Westen über den Norden nach Osten, also im Gegenuhrzeigersinn. Es ist tatsächlich so, und ich habe 2 Monate gebraucht, bis ich das bemerkt habe!!!
Es ist 20.00h und ich liege in meinem Schlafsack in meinem Zelt. Draussen ist es immer noch sehr windig, und ich kann den Wind bis in meinem Schlafsack spüren. Wenn sich der Wind nicht wie angekündigt über Nacht legt, gibt’s heute eine unruhige Nacht. Und das vor einem 192km-Tag!

Sonntag, 27. September 2009

SA, Tag 063: Punta Choros-El Hinguero


26. September 2009, El Hinguero, Chile, km 05’792

Heute Morgen hat es auch mich erwischt. Ich habe so ein komisches Gefühl im Magen, die Broccolis vom letzten Nachtessen sind nicht sehr weit. Keine Kraft, keine Energie, ich fühle mich wie ein platter Pneu. Dadurch, dass wir so am Limit fahren, sind wir gleichzeitig sehr anfällig auf Krankheiten aller Art. Viele haben einen fürchterlichen Husten oder haben Magen-Darm-Probleme, wie ich heute. Mit letzter Kraft packe ich meine sieben Sachen und mein Zelt und setze ich mich in den Truck. Schade, denn am Morgen waren als erstes 8 km tiefer Sand angemeldet. Das hätte ich gerne mal versucht, denn darin habe ich keine Erfahrung. Wäre als Vorbereitung auf Afrika sehr gut gewesen.
Wenig nach dem Start überholen wir die gesamte Truppe, die im Sand stecken geblieben ist. Alle stossen sie ihr Bike (wenn sie nicht am Boden liegen). Die Navigation ist hier extrem schwierig, denn in diesen Sandstrecken gibt es 100 parallel verlaufende Wege, die sich ständig durchkreuzen. In diesem Wirrwarr ist es unmöglich, richtig zu navigieren (nebst dem, dass man generell auf die Mikronavigation konzentriert ist). Nach dem Sand führt die Strasse durch Steinwüsten. Links und rechts zweigen unzählige Wege ab, ins nirgendwo in die Berge. Was mag es dort so interessantes geben, das man einen solchen Aufwand treibt?
Wenige Stunden später treffen wir in El Hinguero ein, einer Geisterstadt. Alles deutet darauf hin, dass es früher ein Mineuren-Dorf gewesen sein muss. Und tatsächlich findet man überall grünspan-überzogene Steine. Kupfer! Nur wenig weiter befindet sich ein geplünderter Friedhof, alle Gräber sind aufgerissen, überall liegen Menschenknochen herum. Viele Grundmauern der Häuser stehen noch, und wir beziehen unser Lager in den alten Fundamenten. Komisches Gefühl. Bereits beim Nachtessen bricht die Kälte über uns ein . Die Temperaturen sinken unter die Gefriergrenze, und unmittelbar nach dem Essen ziehen sich alle in ihr Zelt zurück, denn mit dem aufkommenden Wind ist es draussen kaum auszuhalten. Die Nacht ist eiskalt, und wir hören von weit her die Hunde/ Wölfe/Pumas/Löwen schreien (die Spekulationen am nächsten morgen kennen keine Grenzen!).
Übrigens sind wir heute vor 2 Monaten in Rio gestartet. Wie doch die Zeit vergeht. Auch vergehen die Tage immer schneller. Das Abendteuer macht langsam der Routine Platz.

Samstag, 26. September 2009

SA, Tag 062: Coquimbo-Punta Choros


25. September 2009, Punta Choros, Chile, km 05’720

Und schon wieder Hwy 5. Die ersten 85 km verlaufen wie gewohnt auf der Schnellstrasse. Als Abwechslung mal en deutlicher Austieg, fast 600 Höhenmeter im Nebel. Danach die übliche Fahrt. Und dann die Abzweigung bei km 85! Dirt Roads in der Wüste. Nur Steine und ein paar Kakteen, sonst nichts, wirklich nichts. Die Strasse ist anfangs sehr rau, und bald sehne ich mich zurück nach dem Hwy 5. Aber die Umgebung hier entschädigt für vieles. Hier ist einfach nichts los. Viele Steine, das ist alles. Und alle 30 km ein Dorf. Man fragt sich, was die Leute hier machen. Keine Industrie, keine Landwirtschaft, keine Fischerei. Aber jeder hat ein Auto und die obligate Fernsehschüssel!

Freitag, 25. September 2009

SA, Tag 061: Ruhetag in Coquimbo


24. September 2009, Coquimbo, Chile, km 05’598

Ruhetag, also keine 100 km auf dem Hwy 5. Dafür gutes Essen in den unzähligen Restaurants am Strand, Fisch und Meeresfrüchte. Am Morgen besuche ich die Stadt, die bestimmt sehenswert wäre, wenn sie nicht alle Strassen und Trottoirs aufgerissen hätten. Ich verbringe einen ruhigen Tag und freue mich auf die nächsten Tage, denn ab Freitag geht’s der Küste entlang, weg vom Hwy 5. Endlich!

Donnerstag, 24. September 2009

SA, Tag 060: Socos-Coquimbo


23. September 2009, Coquimbo, Chile, km 05’598

Und wieder haben wir unsere 100 km auf der Hwy 5 abgespult. Dank dem Rückenwind kommen wir sehr schnell voran (die Wettergötter sind uns sehr gut gesinnt). Viel mehr kann ich zum heutigen Tag beim besten Willen nicht sagen. Das Biken wird zur Gewohnheit. Das Fahren ist keine Betätigung mehr, sondern ein Zustand, den wir kaum mehr wahrnehmen. Stundenlanges Fahren ist für uns absolut normal, und die Distanzen werden in Stunden umgerechnet. Man darf jedoch nicht vergessen, dass unsere Bike-Muskeln mittlerweile gut trainiert sind, unsere übrige Muskulatur aber stark vernachlässigt wird, denn zu viel mehr als Biken reicht die Zeit kaum aus. Irgendwie fehlt der Ausgleich. Ich sehne mich so sehr nach einer Stund Altersturnen am Montag Abend. Alles mal richtig durchschütteln und dehnen!

Mittwoch, 23. September 2009

SA, Tag 059: Puerto Oscuros-Socos


22. September 2009, Socos, Chile, km 05’500

Chile kann man sich sehr einfach vorstellen. Über 4000 km lang, von Süden nach Norden, ca. 100 km breit. Im Osten die Anden, im Westen der Pazifik. Dazwischen Santiago, einer Hauptstadt mit 50% der Bevölkerung, von unten nach oben der Hwy 5, alle 100km eine Tankstelle, sonst (fast) nichts. Damit ist unser Alltag schnell erklärt: Wir fahren täglich so unsere 100km auf der Hwy 5 und beziehen unsere Camps an der Küste und geniessen wunderschöne Sonnenuntergänge. Einzig das Wetter wechselt. Heute haben wir optimale Bedingungen. Kein Nebel und starker Wind von hinten (und dennoch eiskalt). Der Wind ist so stark, dass ich auf meinen zwei Rädern in einer Abfahrt 90 km/h erreiche.
Ohne zu pressieren erreichen wir das Ziel um 13.00h, so dass wir ausgiebig Zeit haben für Wäsche, Bike putzen und dergleichen. That’s it.

Dienstag, 22. September 2009

SA, Tag 058: Los Molles-Puerto Oscuros


21. September 2009, Puerto Oscuros, Chile, km 05’401

Die Temperaturen sind hier unvorhersehbar. Entweder ist es windstill und der Nebel dominiert die Szene. Durch die Nässe ist es unheimlich kalt. Oder aber es ist windig, nebelfrei und die Sonne wärmt. Verlässliche Vorhersagen sind kaum möglich. Die Strasse geht auf und ab, ansonsten ist sie anspruchslos. Wir fahren 100 km auf dem Highway 5 und sind schnell am Ziel. So schnell, dass wir wieder mal den Begleitfahrzeugen voraus sind. Kurz vor dem Ziel überholt uns Henry mit Roha (einem der Fahrzeuge) und entscheidet nach einer endlosen Scout-Fahrt, dass der Ort ungeeignet ist (obschon er von schweren Fahrzeugen keine Ahnung hat, meint er, dass schwere Fahrzeuge dort nicht hinfahren können). Ich fahre somit mit den immer mehr werdenden Bikern zurück ins nächste Restaurant und warte dort auf weitere Instruktionen. Manchmal kann es hier schon echt chaotisch werden, insbesondere wenn mehrere Instanzen einander in die Quere kommen (und die Instanzen ohnehin nicht klar definiert sind). Nach 3 Stunden Wartezeit (zT in der Kälte, zT im Restaurant, wo wir uns die Zeit mit Suppe, Kaffee oder Cola vertreiben) ist endlich klar, dass der Ort eben doch geeignet ist. Und wie! Es ist ein versteckter Zeltplatz, direkt am Meer, WUNDERSCHÖN!. Die Strapazen (obwohl unnötig) wurden einmal mehr entschädigt.

Montag, 21. September 2009

SA, Tag 057: Concon-Los Molles


20. September 2009, Los Molles, Chile, km 05’295

Sonntag, das heisst wenig Verkehr, so war es zumindest bisher. In Chile ist das anders. Auch am Sonntag verkehren Lastwagen und unzählige Busse. Zum Glück sind die Fahrer sehr rücksichtsvoll, so dass wir alle gut aneinander vorbeikommen. Die Landschaft ist hier sehr grün und die Vegetation sehr üppig. Hier fehlt es sicher nicht an Wasser. Bis Mittag haben wir dicken Nebel. Bis die Sonne scheint, ist es bitterkalt. Alle haben wir die Kälte unterschätzt und tragen zu wenig Kleider. Viele haben gar nichts dabei und frieren bis zur Ankunft. Je weiter wir uns nach Norden bewegen, desto trockener wird die Landschaft (wir werden in der Wüste enden).
In Zapallar ist es wunderschön. Hier haben die Reichen aus Santiago ihre Ferienhäuser. Alle sehr modern, aber immer etwas versteckt, so dass man sie kaum sehen kann (fotografieren fast unmöglich). Es sind alles moderne, sehr kubische konzipierte Häuser, die sehr an Van der Rohe erinnern. Einfach toll anzusehen. Ein paar Ferientage in Zapallar würde sicher gut tun, aber wir fahren weiter, immer weiter nach Norden.
Heute geht das verlängerte Wochenende zu Ende. Angefangen hat es am Donnerstag mit dem 199. Nationalfeiertag. Deshalb ist der Zeltplatz in Los Molles voll. Am Strand ist es sehr schön, und eigentlich würde ich gerne baden gehen, wenn das Wasser nicht so kalt wäre (geschätzte 13°).

Sonntag, 20. September 2009

SA, Tag 056: Santiago-Concon


19. September 2009, Concon, Chile, km 05’193

Heute verlassen uns die Partial-Drivers, welche wieder nach Hause fliegen: Jessica, Hannah, Sandy, Jürgen, Hendrik, Hans, die beiden Bahama-Boys Philipp und Beves und eine nette Dame, deren Namen ic h mir einfach nicht einprägen kann. Sorry! Vorübergehend bleiben Jessica, Sandra und Duncan sowie Ryan in Santiago, werden aber später zu uns zurückkommen. Auf dem Convoy aus der Stadt sind wir genau 10 Fahrer, ein ganz kleines Feld. Dafür übersichtlich. Bei km 25 habe ich meinen ersten Platten nach über 5000 km. Das spricht für meine beiden Schwalbe Marathon-Reifen. Andere haben bereits 6 oder 7 mal einen Platten eingefangen. Mit Dirk zusammen (der dieselben Reifen fährt) waren wir die einzigen „unflated“. Das ist jetzt vorbei, er ist ungeplattet-Sieger. Und ausgerechnet heute habe ich nichts dabei. Kein Ersatzschlauch, kein Flickzeug, keine Pumpe, einfach nichts. Zwar habe ich meinen Platten schön bei einer Tankstelle, aber das nützt mir nur wenig. Der Tankwart ist ganz interessiert und bietet mir sogar sein Velo an, das ich natürlich nicht annehmen kann. Wie zufällig fährt noch Randy an der Tankstelle vorbei, und er kann mir mit einem 28“-Schlauch helfen. Natürlich ist er viel zu lang (ich fahre einen 26“-Reifen), aber mit einem geschickten Falt möglichst weit vom Ventil kriege ich das irgendwie hin und es hält bis zum Camping. Diesmal am Pazifik, den ich zum ersten Mal sehe (oder liegt Hongkong etwa auch am Pacific?). Kurzbeurteilung: blau, kalt und salzig, wie halt die Meere so sind (und eiskalt, an baden ist nicht zu denken). Damit haben wir Südamerika inklusive Anden in genau 19 Tagen überquert und dabei ca. 2150 km zurückgelegt.
Ansonsten ist heute nicht viel vorgefallen. Die Strecke war mit 142km ziemlich weit und die Steigung über 600 Höhenmeter etwas unerwartet. Allzu gerne wäre ich unterwegs noch nach Valparaiso gefahren, einer sehr schönen Stadt, aber die Zeit dazu fehlt mir wegen meiner Reifenpanne. Für das nächste Mal.
Ich habe vor dem Nachtessen noch meinen Schlauch ausgewechselt, und bei dieser Gelegenheit auch die Pneus getauscht (vorne nach hinten und umgekehrt). Damit soll der deutliche Verschleiss auf den Hinterrad ausgeglichen werden.

Samstag, 19. September 2009

SA, Tag 055: Ruhetag in Santiago


18. September 2009, Santiago, Chile, km 05’051

Santiago gefällt mir immer besser. Speziell sind die Hunde hier. Tagsüber liegen sie mitten auf dem Trottoir und schlafen. Nachts hingegen finden sie sich zu Rudeln zusammen und bellen ausgewählte Autos an. Nach welchen Kriterien sie dabei vorgehen, ist mir völlig schleierhaft.
Heute ist Nationalfeiertag, und die Stadt ist wie leergefegt. Wo mögen denn all die Leute stecken? Ich fahre mit der (modernen) U-Bahn an den Rand der Stadt zum O’Higgings-Platz (entspricht in etwa unserem Grün-80-Gelände), der mit Chilenen überfüllt ist. Die ganze Stadt ist hier versammelt. Man kann sich kaum bewegen. Unzählige Stände verkaufen alle dasselbe. Leider alles billiger Mist und Junk-Food. Ich finde auf dem Rasen einen kleinen Platz für mich, lege mich hin und schlafe ein, obschon ein Riesenkrach um mich herum ist. Viele Familien geniessen (!) mit ihren Kindern den freien Tag.
Später gibt’s zum Z’Vieri noch Kuchen und Kaffee. Ich habe noch nie so viel Schwarzwäldertorte gegessen wie in Santiago! Er ist hier fast so gut wie in Jaberg, einzig der Kirsch darin fehlt.
Abends gehe ich noch ins Kino. „Auf der anderen Seite“, eine türkisch-deutsche Produktion. Die Deutschen sprechen deutsch, die Türken sprechen türkisch. Untereinander sprechen sie englisch und das alles mit spanischen Untertiteln! Es ist ganz ähnlich wie in Basel im Stadtkino: keine Reklame, keine Pause, alles sehr diszipliniert. Nur meine Barbara fehlt mir sehr (und nicht nur hier).

Freitag, 18. September 2009

SA, Tag 054: San Felipe-Santiago


17. September 2009, Santiago, Chile, km 05’051

Heute geht es nur darum, in Santiago einzufahren. Die Instruktionen sind sehr verwirrend und ändern laufend. Auch ist nicht klar, ob wir im Convoy in Santiago reinfahren oder individuell, oder aber mit einem Lotsen. Das ist kein gutes Zeichen, und da ich diese Stadteinfahrten hasse, … steige ich in den Truck und lasse mich bequem ins Zentrum von Santiago in die Herberge fahren. Ich beziehe wie immer mit Dirk zusammen ein etwas verlottertes Zimmer (die Fenster schliessen nicht), aber irgendwie hat das ganze viel Charme, wie auch die holländische Rezeptionistin. Da ich den Lunch verpasst habe, gehe ich wahllos in die Stadt und kehre ins einfache Restaurant „Munich“ ein, das mir wenigsten vom Namen her vertraut vorkommt. Meine Erwartung, dass hier vielleicht jemand deutsch spricht, hat sich natürlich schon nach wenigen Sekunden zerschlagen. Auch die Frage nach Pollo con Patatas Fritas trägt nicht unbedingt zur Erheiterung des Kellners bei, der mich etwas beleidigt anschaut. Ich strecke also die Waffen und gehe auf Risiko. Er soll mir doch bitte einfach etwas gutes zum Essen bringen. Wenige Sekunden später serviert er mir ein Stück Siedfleisch mit frischgemachter Mayonnaise und etwas wie Salzkartoffeln. Volltreffer, denn das ganze ist wirklich vorzüglich. Ich wusste gar nicht, dass Siedfleisch so gut sein kann. Für den Salat gibt es ein paar Punkte Abzug, denn er ist mit Koriander gewürzt.
Den ganzen Nachmittag gehe ich durch die Stadt, die mir auf Anhieb sehr gefällt. Breite, helle Strassen, alles sauber, viele Leute, alle hilfsbereit. Am Abend essen wir in einem Restaurant zusammen mit den Partials-Riders, die uns hier in Santiago bald verlassen werden.
Rückblickend hat mir Argentinien sehr gut gefallen. Am Anfang der Reise haben uns viele vor dem argentinischen Verkehr gewarnt. Nichts daran ist wahr. Die Leute sind (ausser in BA) sehr freundlich und respektvoll. Der Verkehr ist kein Problem, auch wenn man mit dem Bike unterwegs ist. Besonders hat mir die Überquerung der Anden gefallen. Zum Glück hat mir Barbara gelehrt, auf die Farben zu schauen, denn speziell diese sind hier aussergewöhnlich. Obschon es nicht ganz einfach war, hatte ich mir die Überquerung der Anden viel schwerer vorgestellt. Da viel Schwerverkehr rüber muss, sind die Strassen aber nicht sehr steil und damit für jedermann zugänglich. Absolut kein Problem!
Das einzige wirklich unangenehme im Gebirge sind die extremen Temperaturunterschiede. Da kann man am morgen bei Unternull-Temperaturen losfahren und ein paar Stunden später liegen die Temperaturen bei 35° im Schatten. Am meisten leiden die Finger. Die Hornhaut springt dann auf den Fingerspitzen auf, was sehr schmerzhaft ist und Wochen braucht, um auszuheilen. Nicht besser geht es den Lippen. Auch diese springen bei diesen Temperaturunterschieden auf. Und auch hier st es sehr schmerzhaft, insbesondere wenn man Salat isst oder Salzerdnüsse. Na ja, es gibt nichts umsonst.

Donnerstag, 17. September 2009

SA, Tag 053: Puente del Inka-San Felipe




16. September 2009, San Felipe, Chile, km 04’952

Chile! Nach Brasilien, Argentinien, (Paraguay,) und Uruguay sind wir nun in Chile. Und was für ein Empfang! Schlechter hätte er nicht sein können!!! Zuerst das Frühstück in der Herberge. Kaffee und zwei munzig kleine Croissants, kaum der Rede wert. Das als Z’Morge für heisshungrige Biker, einfach lächerlich. Na ja, dann halt, schliesslich sind wir harte Biker, die auch mal ohne Frühstück an die Arbeit gehen. Im Truck fahren wir alle gemeinsam durch den Tunnel (3300 müM!) und bald sind wir am argentinisch-chilenischen Zoll (Uhr um eine Stunde zurückstellen, damit ist mir die Schweiz neu 6 Stunden voraus). Zuerst wechseln wir noch unser letztes argentinische Geld gegen chilenische Pesos. Wie immer grosses Rätselraten über den neuen Kurs, das nie klar ist, weil manche in Euro, andere aber in Dollar denken. Ich versuche, mit meinen CHFR mitzuhalten.
Und jetzt zum Zoll. Eine unübersehbare Halle mit unzähligen Schaltern. Also stehen wir mal am ersten Schalter an. Nach einer Weile stellt sich heraus, dass wir das Formular X ausfüllen müssen, bevor wir anstehen. Also füllen wir Formular X aus. Wie immer in solchen Situationen ist der Kugelschreiber nicht auffindbar oder versagt seinen Dienst. Macht nichts, da die Fragen ohnehin unverständlich sind. Irgendwie wollen die wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen, was in unserem Fall schwer zu beantworten ist. Da steht zB Herkunft (natürlich in spanisch), aber welche Herkunft denn? Schliesslich reisen wir seit Monaten durch die verschiedensten Länder. Schreibe ich jetzt Schweiz, Brasilien oder Argentinien, oder etwa Therwil, Basel, Rio oder Puente del Inka? Unwichtig, denke ich mir, das Formular liesst ja sowieso keiner. Also schreibe ich irgendwas hin und ab zurück in die Schlange. Kurz bevor ich am Schalter 1 angelangt bin, bemerkt unser spanischsprechender Begleiter, dass wir auch das Formular Y ausfüllen müssen. Also Formular Y beschaffen, Kugelschreiber organisieren, Schreibunterlage finden und weitere dämliche Fragen willkürlich beantworten, diesmal geht es um Obst und Krankheiten. Alles in 4 Durchschlägen. Und ab zurück in Schlange zu Schalter 1. Diesmal scheint alles iO zu sein. Für meine Bemühungen gibt es einen argentinischen Austrittsstempel in meinen roten Schweizerpass. Die erste Hürde ist überwunden, weiter geht’s mit der Schlange am Schalter 3 (wie beim Leiterspiel kann man gewisse Schalter überspringen, wenn man sich geschickt anstellt). Vorne sind zwei Schalter 3: der erste wird durch einen sympathischen Zöllner bedient, der es recht locker angeht, der andere Schalter wird durch eine herrische Dame bedient, die recht ungeduldig zu sein scheint. Natürlich erwischt es mich am Drachen-Schalter. Die Dame stellt brauenrunzelnd ihre Fragen, natürlich spricht sie nur spanisch. Keine Ahnung, was sie denn wissen will. Sie soll doch einfach auf den Durchschlag Nr. 2 vom Formular X oder dem Original des Formulars Y schauen, schliesslich habe ich diese nicht umsonst ausgefüllt. Ihre Stimme wird ungeduldiger, schriller. Aber die zwei Monate, die ich jetzt bald in Südamerika verbracht habe, haben mich gelehrt, Geduld zu bewahren, insbesondere zu amtsinhabenden Personen. Schliesslich gewinne ich die Machtprobe und nach gütlichem Empfang des chilenischen Einreisestempels ruft sie mir noch „Bike not good“ nach, was ich nicht so richtig deuten kann. Eines ist aber sicher, es weist nicht unbedingt auf einen ruhigen Morgen hin. Aber eine gute Stunde Schlangenstehen in einem unbeheizten Zollhaus im Durchzug bei über 3000 müM schein mir eine gebührende Strafe dafür zu sein, dass ich als Zentraleuropäer die Staatsgrenze zwischen Argentinien und Chile überschreiten will. In der Zwischenzeit hat der Truck-Fahrer seine Papiere zusammen, so dass eine Weiterfahrt nicht ganz unmöglich scheint. Doch da taucht der nächste Zöllner auf. Er macht einen kompetente Eindruck, hat viele Streifen am Arm und scheint zu wissen, was er will. Es ist ganz einfach und eigentlich nicht unbedingt schikanös: er will sicherstellen, dass wir alle am Schalter 3 angestanden sind und dort unseren Eintrittsstempel empfangen haben. Dazu hat er sich bei unserem Veranstalter eine Liste der Biker beschafft, die über die Grenze wollen. Also nehme ich meinen Pass, zeige ihm den begehrten Stempel und er macht hinter meinem Namen in der Liste ein Kreuzchen. So einfach geht das, max. 15 Sec. Wir sind vielleicht 30 Leute auf der Liste. 30 x 15 sec, das sind total ca. 10 min, Reserve mitgerechnet. Aber nein, da gibt es tatsächlich solche, die haben keinen Stempel, andere haben dafür gleich 2 mal denselben Stempel! Und natürlich gibt das jedes Mal eine Riesendiskussion. Und wie immer gibt es ein paar Leute, die weglaufen sind und nicht mitkriegen haben, dass wir nochmals gecheckt werden. Also geht die Suche nach den Vermissten los. Bis jeder kontrolliert ist, vergeht nochmals gut eine Stunde. 2 Stunden warten, war’s das? Ist das möglich? Nein, denn bisher ging es nur um unsere Person. Jetzt muss noch das Gepäck geprüft werden. Als erstes wird der Truck untersucht. Da wir ein paar Chaoten mit dabei haben, fahren überall Kisten, Plastiksäcke und sonstige Behälter im Truck rum, welche Geschenke, Weinflaschen, Kleider, Ersatzteile, Zubehörteile und sonstiges enthalten. Die Zöllner wollen alles sehen und checken. Also muss alles raus! Ein Riesenbordell, alles zwischen der Fahrbahn und dem Zollhaus, am Boden. So, der Truck wäre jetzt ok. Jetzt kommen wir dran. Wir stehen in einer Zweierreihe zum Abrichten bereit, jeder hat seine Bikeausrüstung vor sich. Wir werden nochmals scharf darauf aufmerksam gemacht, das es vorboten ist, Holzwaren einzuführen. Holzwaren? Nicht eher Wollware? Keiner versteht den Zöllner richtig, und so bleibt offen, ob man Holz- oder Wollwaren deklarieren soll. Da ich beides nicht mitführe, ist es mir eigentlich egal. Und kein Käse, und keine Bananen, und keine Orangen! Aha, und wie steht es mit Erdnüssen? Keiner kann mir Bescheid geben, obschon mich das brennend interessiert, denn ich habe ein paar Päckchen in meinem Gepäck. Und wie der Offizier ausschaut, habe ich keine Lust, das kleinste falsch zu machen. Dann sammeln sie noch das Formular Y ein, und wehe, es steht, dass man als Tourist einreist. „Transit“ muss es genau heissen, sonst gibt es kein weiterkommen. Und Tippfehler beim Einreiseort werden auch nicht toleriert, als ob das irgend jemand je interessieren würde. Und dann kommt der Hund und schnüffelt an allem herum, findet aber zu unserer grössten Erleichterung nichts interessantes. So, und jetzt das Gepäck. Jetzt werden doch ein paar nervös, denn jeder hat irgendwas essbares im Gepäck. Da, jetzt wird Lorry schwach: „Mea culpa“, sie gesteht, ein Stück Käse im Gepäck zu haben. Sofort geht ein Riesenzirkus los, sie wird vor allen angeprangert. So nicht! Und darauf wird unser gesamtes Gepäck gescannt. Das sind über 100 Gepäckstücke! Da dabei nichts auffällt, machen sie Stichproben, und finden da und dort Walnüsse und dergleichen, was sofort konfisziert wird. Wir sind alle froh, dass sonst nichts gefunden wird und plötzlich muss alles sehr schnell gehen, der nächste Bus fährt rein, neue Opfer! Zu schlecht wurden wir hier behandelt, als dass wir eine Sekunde zu viel hier verharren würden. Wir packen also unsere Bikes und fahren so schnell wie möglich los. Und das geht wirklich sehr schnell, denn die chilenische Seite der Anden ist sehr steil. Wir fahren km-lang durch Serpentinen runter und finden eine komplett andere Vegetation vor. Wie wenn man über den Gotthard ins Tessin fährt. Nach wenigen Stunden sind wir in San Felipe, in Chile! Einmal mehr vor den Begleitfahrzeugen, die an den unzähligen Baustellen hängen geblieben sind. Da bis zum Z’Nacht noch viel Zeit verbleibt, fahren Dirk und ich vom Camp in die naheliegende Stadt, zum Kaffee und Kuchen. Da wir nichts entsprechendes finden, kehren wir in einer einfachen Snack-Bar ein. Die Bardame, sehr einfach und robust, aber dennoch sympathisch, freut sich über die unbekannten Besucher und fragt nach unserer Herkunft (die Frage ist berechtigt, denn wir sind in Biker-Kluft und damit doch etwas auffällig). „Aha“, das ist ihre Reaktion auf unsere Antworten. Sie hat keine Ahnung, wo Holland oder die Schweiz liegen könnten. Auch die anderen Barbesucher haben ihren Spass an uns, insbesondere an meinen langen Haaren, an unserer Kluft und an unsere Grösse (Dirk ist noch ein paar cm grösser als ich). Was soll’s, wir gönnen allen ihren Spass und verköstigen uns mit Sandwich, Kaffee und Cola. Die Freude über die überwundenen Hindernisse (Anden und Zoll) kann uns niemand trüben.

Mittwoch, 16. September 2009

SA, Tag 052: Uspallata-Puente del Inka


15. September 2009, Puente del Inka, Argentinien, km 04’855

Ich fahre heute in Rennmontur. Nichts unnötiges. Kurzärmlig und mit kurzen Hosen, ohne Socken. Da ich in den letzten Wochen erheblich an Gewicht verloren habe, will ich mal schauen, wie sich das in den Steigungen anfühlt. Und … es ist phantastisch, es geht wie von alleine. Ohne Rucksack und Lenkertasche habe ich mindestens 15 kg weniger. 8.45h beim Lunch, welches ich auslasse, da es um diese Zeit keinen Sinn macht, 10.15h bin ich am Ziel in Puente del Inka, einem ganz kleinen Ferienort, wo die Leute unterwegs sind … zum Ski fahren! Welch komisches Bild das abgibt: sie, vermummt in Thermoanzüge, mit Kappen, Sonnenbrillen und Moonboots etc., ich, kürzärmlig und nackten Beinen!
Am Fusse des Mt. Aconcagua mit seinen 6960 müM übernachten wir auf 2740 müM, und kriegen diese Höhe zu spüren. Zum Glück sind wir in einer Herberge. Im Zimmer sind wir zu fünft und alle liegen wir wie tote Fliegen im Bett und schlafen den halben Nachmittag. Es ist wie in den Ski-Ferien. Dieselbe Stimmung, dieselben Geräusche, dasselbe Licht, derselbe Geruch. Und dieselbe trockene Luft, die uns in der Nacht vom schlafen abhält.
Morgen geht es nach Chile und irgendwie müssen wir durch einen 4 km langen Tunnel fahren. Wie das gehen soll, ist mir ein Rätsel. Aber bestimmt werden die Organisatoren einen Weg finden. Im Improvisieren sind sie ja Weltmeister!

Dienstag, 15. September 2009

SA, Tag 051: Barreal-Uspallata


14. September 2009, Uspallata, Argentinien, km 04’784

Heute will keiner so richtig aufstehen. In den letzten Tagen hatten wir um 8:00h Frühstück. Warum so spät? Weil es hier oben (1700-2000 müM) am Morgen bitterkalt ist. Um 7:30h stehe ich auf, und bin der erste! Zusammenpacken, frühstücken, Gepäck aufladen und ab in die Berge. Gestern hat uns Henry angekündigt, dass der Zielort 101 Höhenmeter über dem Startort ist. Viele glauben deshalb, dass es einen „easy-day“ gibt. Ich bin hingegen überzeugt, dass es dazwischen ein paar mal rauf und runter geht. In Tat und Wahrheit geht es genau einmal rauf, und zwar ziemlich hoch, der Schnee ist nicht mehr weit, und einmal runter. Der Aufstieg ist unendlich lange. Man muss sich das vorstellen wie im Oberengadin, so zwischen Zuoz und Maloja. Stetig rauf, aber nicht wirklich steil. Nach 65 km Bergfahrt kommt der Lunch. Henry, der den Lunch koordiniert, ist etwas beunruhigt, weil ich als erster erst um 11.30h eintreffe. Die letzten müssen noch weit weg sein! Nach dem Lunch geht es bergab. Endlich. Aber dummerweise ist die Strasse so schlecht, dass man nicht vom Fleck kommt. Ich werde fast verrückt, so werde ich durchgeschüttelt. Alles schüttelt mit, mein Hirn, meine Augen (ich kann nichts wirklich genau sehen, insbesondere nicht meinen km-Zähler, was wichtig wäre, denn das Ziel soll bei km 117 liegen = Ende der Tortour), meine Hände (mit der Zeit ist das enorm schmerzhaft), meine Beine, meine Füsse, meine Blase, mein Darm (deshalb ist es wichtig, dass man täglich das WC besucht, den mit vollem Darm bist du geliefert, aber das ist ein Kapitel für sich). Alles ist in ständiger Bewegung, was mit der Zeit unerträglich ist. Trotzdem fahre ich weiter, den es gibt keine Alternative. Es ist ja nicht so, dass nebenan eine schöne Strasse wäre, und wenn man die schlechte nicht mehr erträgt, dann wechselt man einfach auf die Gute. Es gibt nur die schlechte Strasse, auch wenn sie unerträglich ist. Also fahre ich weiter und weiter und weiter. Und plötzlich kommt die Teerstrasse. Eine unheimliche Ruhe kehrt ein, man glaubt zu schweben. Und wenig später bin ich im Camping. Wir sind die einzigen, denn hier geht keiner freiwillig Mitte September (= Mitte März in der nördlichen Hemisphäre) campieren. Der heutige Tag war wirklich anstrengend, für alle (viele sind gar nicht fertig gefahren und haben die Begleitfahrzeuge benutzt). Morgen geht es weiter bergauf, 71km mit Serpentinen. Ich bereite mich speziell vor. Ich werde ohne Lenkertasche und ohne Rucksack rauffahren. Ich will unbedingt vorne mit dabei sein!

Montag, 14. September 2009

SA, Tag 050: Mountain Camp-Barreal


13. September 2009, Barreal, Argentinien, km 04’671

Schon wieder Sonntag. Das merkt man den Leuten sofort an, irgendwie haben sie am Sonntag mehr Zeit, uns herzhaft zu grüssen, wenn wir an ihnen vorbeifahren. Verkehr gibt es hier oben nicht, auch Werktags nicht. Die Strassen sind leer und unendlich lang. Und wer erwartet hätte, dass sie hier in den Anden besonders steil sind, hat sich gewaltig getäuscht. Es ist etwa so wie im Oberengadin, langsam und stetig rauf, aber kaum merkbar. Wir fahren heute 118 km ohne besondere Anstrengung. Die Abfahrt am Morgen geniesse ich wie immer und lasse es laufen. In meiner Abfahrtsstellung (habe ich vor dem Fernsehen bei der Übertragung der Tour de France gelernt) überhole ich alle anderen mit 65 km/h. Wie immer habe ich meinen Spass daran. Danach folgen eben diese kaum ansteigenden km. Eigentlich hätte das Ziel bei km 128 sein sollen, in einem Camp in der Wildnis. Bei 118 ist aber schon fertig, auf einem gemütlichen Zeltplatz. Wer die Zeichen am Strassenrand nicht sieht, hat Pech gehabt und fäht weiter. Schnell ist ausgemacht, wer weitergefahren ist und nicht. Keinen kümmert’s. „Die werden es schon merken und umkehren“. So ist hier die Einstellung! Ich versuche immer zu helfen, wo ich kann, habe keine Geheimnisse und teile gerne meine Sachen, wenn es Sinn macht. Leider haben nicht alle dieselbe Einstellung, aber langsam weiss ich, wem ich vertrauen kann und wem nicht, und mit wem ich zusammen arbeiten will und mit wem nicht. Das habe ich in den letzten Monaten gelernt!

Sonntag, 13. September 2009

SA, Tag 049: San Juan-Mountain Camp


12. September 2009, Mountain Camp, Argentinien, km 04’553

Die Nacht auf heute war sehr unruhig. Dirk, der im selben Hotelzimmer wie ich schläft, ist krank. Um 6.00h entscheidet er, dass er für ein paar Tage im Hotel bleiben will, bis er wieder gesund ist. Ein vernünftige Entscheidung. Überhaupt sind viele krank. Ein Husten und Schnupfen. Bald bin ich der einzige, der noch gesund ist. Wir verlassen San Juan und damit endgültig die Ebene und steigen in die Anden ein. Endlich sind wir wirklich in den Anden. Der Anstieg ist anfangs harmlos, nachmittags geht es dann etwas strenger, und ich habe unheimlich Mühe (und verfluche diese Ruhetage). Ich bin so müde, dass ich sofort einschlafen könnte. Am Strassenrand gibt es keinen Schatten, und bei dieser Hitze will ich nicht in der Sonne schlafen, das ist mir zu gefährlich. Also fahre ich weiter. Der Schatten ist fast senkrecht unter mir, es ist Mittag. Irgendwie schaffe ich es dann doch bis zum Camp, das mitten in einer Steinwüste liegt. Da ich trotz meiner Mühen einer der ersten bin, kann ich meinen Platz aussuchen. Gar nicht so einfach, in den Steinen. Die nächsten werden es bestimmt schwerer haben, einen flachen, weichen Platz zu finden. Um solche Schwächen wie heute vorzubeugen, trinke ich bei jeder Ankunft viel und esse Erdnüsse (salzig) und Gutzi. An den Ruhetage fehlt diese „Zusatznahrung“, was vielleicht meine Schwäche heute erklären könnte. Ich weiss nicht, und mache mir keine allzu grossen Sorgen. Ich werde mich bestimmt erholen.

Samstag, 12. September 2009

SA, Tag 048: Ruhetag in San Juan


11. September 2009, San Juan, Argentinien, km 04’468

Ruhetag in San Juan, am Fusse der Anden. Eine kleine Stadt, ca. 400'000 Einwohner und damit vergleichbar mit Basel. Nichts aufregendes, das man unbedingt sehen muss. Einige gehen in eine Weinhandlung und wollen mich unbedingt mitnehmen. Sie verstehen einfach nicht, dass ich nicht Kanadier bin und damit nicht ab jedem Weinkeller gleich ausflippen muss. Ich bleibe standfest und verzichte auf den Besuch. Da ich später nichts mehr von diesem Besuch höre, muss ich annehmen, dass es sich nicht um das Jahrhundertereignis gehandelt hat. Dafür gehe ich ziellos in der Stadt spazieren. Da sind viele Parks und Denkmäler, für alles mögliche. Unter anderem auch für die Kriegsgefallenen aus dem Falkland-Krieg. Irgendwie haben sie die Geschichte noch nicht ganz verarbeitet. Grundsätzlich werden in Argentinien viele Leute verehrt und ihnen zu Ehren Denkmäler erstellt. Die meisten sind mir unbekannt und bis ich zu Hause bin, habe ich ihre Namen schon längst vergessen, so dass ich nicht auf Wikipedia nachschauen kann. Abends gehe ich noch mit Dirk und Lorry Pasta essen. Und schon wieder gelingt es mir nicht, einen Teller Spaghetti zu essen. Hier gibt es viele italienischen Restaurants und Pizzerias, aber auf keiner Menükarte gibt es Spaghettis. Bestimmt heissen die da anders, muss mich mal erkundigen. Dirk ist am mudern, sieht aus, als würde er krank werden. Da wir ab morgen 6 Tage unterwegs nach Sandiago de Chile sein werden, schreibe ich im Bett noch ein letztes e-mail an Barbara, bestimmt freut sie sich, nochmals etwas von mir zu lesen.

Freitag, 11. September 2009

SA, Tag 047: Desert Camp-San Juan


10. September 2009, San Juan, Argentinien, km 04’468

Meine PC-Batterie ist komplett leer. Gestern habe ich noch etwas Musik gehört. Um die Batterien zu schonen, habe ich den Bildschirm abgestellt. Aber trotz dieser Massnahmen stellt mein PC inmitten des ersten Stücks ab (auf dem Plattenteller: L.A. Woman von den Doors). Macht nichts, da wir heute Nachmittag ein Hotelzimmer beziehen und dort gibt es immer Strom, auch wenn die Steckdosen immer etwas eine Lotterie sind. Irgendwie bekommt man es aber immer hin.
Heute fahren wir in Vallecito vorbei, dem Wallfahrtsort für viele Trucker. Hier ist nämlich die Schutzheilige der Reisenden (und damit auch der Trucker) in einer Gruft begraben. Überall gibt es hier nur noch die „La Difunda Correa“. Soweit ich das mitbekommen habe, handelt es sch um eine Frau, die ihrem für den Krieg eingezogenen Mann gesucht hat und dabei an einem Strassenrand verdurstet ist. Ihr Baby, das sie dabei hat, hat hingegen überlebt und wurde an seiner Mutter säugend aufgefunden. Deshalb sind in ganz Argentinien am Strassenrand viele einfache Gedenkstätten zu finden, die ein kleines Haus (vielleicht 30-50 cm hoch) mit einer Frau darin darstellen (eben die Difunda Correa). Vielfach findet man dann auch noch unzählige PET-Flaschen mit Wasser gefüllt in unmittelbarer Nähe. Hier kommen ca. 100'000 Besucher pro Jahr vorbei und beten dafür, dass sie von Unfällen verschont bleiben. Viele hinterlassen ihre Nummernschilder oder gar ihren Führerausweis. Etwas bewegt verlasse ich den Wallfahrtsort und fahre Richtung San Juan weiter. Am Strassenrad liegen all par km Kadaver. Kühe, Pferde und Hunde. Zum Teil sind sie komplett ausgetrocknet, zum Teil stinken sie bestialisch. Aber auch an das gewöhnt man sich. In San Juan suchen wir das Hotel. Die Wegbeschreibung ist für einmal richtig, wir haben sogar die genaue Adresse des Hotels dabei. Aber wir sind hier in Südamerika und die Hausnummer gibt es zwei mal, an beiden Enden der Strasse. Natürlich suchen wir am falschen Ende. Endlich im Hotel angekommen, empfängt mein PC sofort ein ungeschütztes WiFi. Also schnell e-mails verschicken und den Blog auf Vordermann bringen. Aber mein PC will nicht mehr so richtig. Das Touchpad will einfach nicht funktionieren. Ich versuche alles. Neustart, Set-Up, De- und Reistallation der Treiber, Überprüfung der Tasten (manchmal bleiben sie wegen dem Sraub hängen). Alles nützt nichts, und ich bereite mich mental darauf vor, zukünftig alles mit der Tastatur zu schreiben und zu bedienen. Das ist aber obermühsam, weil man zT sehr lange Wege gehen muss und zT gewisse Sachen gar nicht möglich sind (oder ich weiss nicht, wie man das macht). Auch ziehe ich in Erwägung, eine kleine Maus zu kaufen, aber dieser Gedanke kann mich nicht begeistern, denn eine Maus zu bedienen in einem Zelt auf freier Wildbahn erscheint mir nicht als das richtige. Auch ist es mir unerklärlich, wieso gestern alles ok war und heute dieser Teil nicht funktionieren soll. Was ist inzwischen geschehen? Als letzte Massnahme vor dem Mauskauf befrage ich noch das Internet. Dort gibt es ja diese Foren, die auf alles eine Antwort haben. Und tatsächlich, die Lösung ist gefunden. Gestern, als ich den Bildschirm abgestellt habe, habe ich die falsche Taste erwischt. Und gleich nebenan ist die Taste zum Abstellen des Touchpads! Ein richtiger Druck auf der richtigen Taste, und mein Touchbad ist zurück. Ich habe über 3 Stunden wegen so einem Mist verloren, aber trotzdem bin ich den ganzen Abend bester Stimmung, denn die Kommunikation zwischen mir und der Welt kann ohne Umwege weitergehen.

Donnerstag, 10. September 2009

SA, Tag 046: Cattle Camp-Desert Camp


9. September 2009, Desert Camp, Argentinien, km 04’333

Und schon wieder diese langen geraden Strassen. Diesmal sind sie geteert, so dass ich sehr schnell vorwärtskomme. Unterwegs fahren wir meist in einer savannenartigen Ebene. Viel Sand und Büsche. Sonst nichts. Zwischendurch kurze Salzwüsten. Und im Hintergrund die drohenden Anden. Denn wir haben diese immer noch nicht richtig erreicht. Ihnen vorangestellt sind ein paar Gebirgszüge, die wie jetzt alle überwunden haben. Jetzt haben wir noch einen Tag flache Strassen vor uns, dann noch ein Ruhetag in San Juan , und dann soll es richtig in die Anden gehen. Das Camp ist heute noch primitiver als sonst. Inmitten einer Steinwüste. Kein Wasser. Wir sind jetzt zum 4. Mal in einem Bush Camp ohne Infrastrukturen. Erstaunlicherweise ist das gar nicht so unangenehm. Man gewöhnt sich daran, und ich glaube nicht, dass wir deswegen stinken. Irgendwie stellt sich der Körper darauf ein. Dennoch freue ich mich auf die nächste Dusche. Morgen Abend schlafen wir wieder mal in einem Hotel.

Mittwoch, 9. September 2009

SA, Tag 045: Los Palmas-Cattle Camp



8. September 2009, Cattle Camp, Argentinien, km 04’208

Heute Nacht habe ich gefroren. Und beim aufstehen wusste ich sofort, weshalb. Mein Zelt war überzogen mit Eis. Unternull, und das ausgezeichnet in der Nacht, in der ich auf meine Unterlage verzichtet habe! Obschon das Morgenessen ausnahmsweise erst um 8.00h vorgesehen ist, stehe ich schon lange vorher auf. Ich muss mich aufwärmen.
Die Fahrt geht zum Glück zuerst über einen kleinen Pass. Nach 9 km ist der Gipfel erreicht, und darauf folgt eine irre Abfahrt bis zum km 25. Ich lasse es richtig laufen. Was für ein Spass.
Nach dem „Schuss“ kommt … eine unendlich lange gerade Strasse. Offenbar befinden wir uns zwischen einer Art Voranden und den Anden. Die Strasse ist anfangs sehr angenehm zu fahren. Aber mit der Zeit kommen immer häufiger Sandbänke, die sehr schwer zu fahren sind, weil man gerne darin stecken bleibt. Die Sandbänke werden immer länger und folgen immer kürzer aufeinander, bis wir schlussendlich im Sand fahren. Eine neue Erfahrung für mich. Irgendwie gewöhnt man sich daran und bleibt cool, auch wenn man den Eindruck hat, dass man denn gleich stecken bleibt. Irgendwie geht es immer weiter, notfalls steigt man ab und läuft ein paar Meter, und dann geht es wieder weiter. Da ich heute im Mittelfeld mitfahre, sieht man den Spuren der anderen sofort an, ob man auf dem richtigen Weg ist. Andernfalls sucht man hat eine eigene Alternative. Mit mehr oder weniger Erfolg. Macht irgendwie richtig Spass.
Unser Camp ist heute unmittelbar an der Strasse. Alles sehr sandig und staubig. Die Strasse ist neu und sehr breit, aber absolut unbenutzt und in beiden Richtungen sieht man kilometerweit. Da hier überhaupt nichts los ist (alle paar Stunden fährt mal ein Auto vorbei), gehen wir um 20.00h ins Bett. Wir sind alle müde von der Sandfahrt.

Dienstag, 8. September 2009

SA, Tag 044: Bushcamp-Los Palmas


7. September 2009, Los Palmas, Argentinien, km 04’111

Heute morgen ist es sehr kalt. Und ich habe verschlafen. Als ich aus dem Zelt schaue, sind schon alle Zelte abgebrochen. Ich bin etwas enttäuscht über meine „Freunde“, denn diese sind unzählige Male an meine Zelt vorbeigelaufen und haben mit Sicherheit gesehen, dass ich noch schlafe. Irgendwie hätte ich erwartet, dass einer mich weckt. Aber nein. So ist das Leben hier, jeder schaut in erster Linie für sich. Für die anderen bleibt dann sehr wenig übrig. Dennoch halte ich die Stimmung für gut. Ich stehe also etwas genervt auf, packe mein nasses Zelt bei 2°C und verschlinge mein Morgen-Porridge in 20 sec. Danach setzte ich mich auf mein Bike und fahre los. Da ich noch etwas Wut im Bauch habe, habe ich die übrigen schnell eingeholt und fahre den Berg hinauf. Vor mir ist nur noch Hendrik. Der Nebel ist dicht, die Luft eiskalt, der Wind kommt für einmal von hinten. Und dann, plötzlich, löst sich der Nebel auf, und eine wunderschöne Landschaft wird sichtbar. Ich halte an und mache wieder verzweifelt Fotos. Vergebens. Man kann diese Farben einfach nicht einfangen. Nach dem Gipfel kommt die Abfahrt. Die Strasse ist brutal rau. Nach wenigen km reisst es mir die Satteltasche ab. Alles gebrochen und ausgerissen, obschon sie mit einem Riemen gesichert war. Und wenig später, bei einem Absatz, sehe ich plötzlich alles vor mir schweben: mein Sackmesser, mein Portemonnaie, mein Kugelschreiber, meine Notapotheke, mein Rücklicht, mein Kettenöl, einfach alles. Der Deckel meiner Lenkertasche hat sich gelöst, und beim Absatz ist alles rausgesprungen. Alles wieder einzusammeln und neu einzuräumen! Ich finde alles wieder, erstaunlich. Und wenig später verliere ich meine Trinkflasche, die ich arg ramponiert wiederfinde, aber dicht, das ist die Hauptsache. Es ist unglaublich, wie stark das Material beansprucht wird. Bisher habe ich mit meinem Bike Glück gehabt. Alles ist noch dran. Mit dem Zubehör hingegen weniger. Eigentlich gibt es nichts, das Bestand hat. Das einzige, das der hohen Belastung Widerstand leistet, ist mein Rücksack. Bisher hat er gehalten, dank mir als dämpfendes Element.
Das Camp ist diesmal im Garten einer alten Kirche. Alles ist voller Dornen, und ich entscheide, dass ich diese Nacht auf meine Luftmatratze verzichte. Zwar ist der Boden hart, aber dafür habe ich für die restlichen Nächte noch eine Matratze. Die Dornen sind überall und stechen durch den Zeltboden. Weil mein Schlafsack dick ist, kommen sie (hoffentlich) nicht durch. Die übrigen Flächen im Zelt muss ich mit Kleidern und meiner Jacke auslegen, denn die Gefahr, dass ich mich steche, wäre zu gross. Auch auf meine Crocs verzichte ich. Einmal richtig in die Dornen getreten, und fertig gebiked. Diese Dornen sind sehr schlimm und verursachen Infektionen. Nein Danke.

Montag, 7. September 2009

SA, Tag 043: Cordoba-Bushcamp




6. September 2009, Bushcamp, Argentinien, km 04’024

Heute verfahre ich mich so richtig. Die Wegbeschreibung habe ich immer in einem Plastik auf der Lenkertasche, gut sichtbar und vor dem Regen geschützt. An einer Kreuzung gehe ich nach rechts anstatt links. Ein kleiner Fleck auf dem Plastik lässt das „L“ wie ein „R“ aussehen. 10 km später soll es an einer Kreuzung nach rechts weitergehen. Bei mir nicht. Da die Wegbeschreibungen nie so ganz richtig stimmen, fahre ich weiter. 12km, 15km. Da, eine Abbiegung, aber das Ganze kommt mir suspekt vor, denn eigentlich müsste die nächste Stadt angeschrieben sein. Sie fehlt aber. Zufällig kommt ein Spaziergänger vorbei. Ich frage ihn nach dem Weg. Er lacht und zeigt in die andere Richtung. 40km! Erst auf der Rückfahrt erkenne ich meinen Fehler. 30km für die Katze. Später am Lunch-Platz freut man sich, dass ich wieder aufgetaucht bin. Keine Vermisstenfahrten. Zum Glück habe ich den Fehler rechtzeitig bemerkt, denn ausgerechnet heute habe ich mein Portemonnaie in meiner Hose vergessen. Kein Geld, keine ID, keine Tel-Nr, nichts dabei. Das hätte ins Auge gehen können. Von nun an schreibe ich meine „L“s und „R“s ganz deutlich. Das passiert mir nicht wieder.
Da der Tag ohnehin vermasselt ist, fahre ich ganz gemütlich. Unterwegs an einem Kiosk machen wir eine Pause. Es ist 35° heiss und wir trinken eiskaltes Bier. Was für ein Segen, obschon das gegen meine Prinzipien geht, aber diesmal konnte ich nicht wiederstehen. Kurz danach geht es so richtig bergauf, auf einer Naturstrasse. Und obschon wir schon ganz tollen Wind gehabt haben, so werden alle bisherigen Erfahrungen bei weitem übertroffen. Wir bleiben richtig stehen. Auch auf den kurzen Abfahrten fahren wir 6 km/h. Ich kriege es sogar hin, mein Hinterrad auf der Abfahrt zum rutschen zu bringen, so stark ist der Wind. Manchmal haben wir Seitenwind. Die Kräfte sind so gross, dass man nicht dagegen halten kann oder aber die Räder rutschen seitwärts davon. Insbesondere wenn man aus windgeschützten Stellen herausfährt, wird man richtig umgestossen. Unglaublich. Als Gegenleistung bekommen wir eine wunderschöne Landschaft zusehen. Grau-grüne Felsen, dazwischen beiges Grass, das sich im Wind wiegt, und das bei dunkelblauem Himmel. Wunderschön. Verzweifelt versuche ich, diese Landschaft zu fotografieren. Aber das ist unmöglich. Man kann sie einfach nicht einfangen. Wer das sehen will, muss sich schon herbemühen. Das ist der Preis. Ich bin ganz hingerissen. Ich bleibe einfach stehen und schaue mich satt. Zu tiefst bewegt. Unser Lager beziehen wir in einem kleinen windgeschützten Tal. Da ist sogar ein kleiner Laden, in dieser unberührten Landschaft! Sonst ist weit und breit nichts. Die darauffolgend Nacht ist absolut windstill. So schnell können hier die Verhältnisse ändern. Und diese Ruhe! Man hört einfach nichts, da ist ausser dem Vollmond einfach nichts. Es ist so leise, dass einem die Ohren wichtig weh tun.

Sonntag, 6. September 2009

SA, Tag 042: Ruhetag in Cordoba


5. September 2009, Cordoba, Argentinien, km 03’941

Schon wieder ein Ruhetag. Irgendwie tun mir diese nicht gut. Man hat dann sofort das Gefühl, dass man alles erledigen sollte, was noch offen ist: Fingernägel schneiden, Zelt rausputzen, Bike revidieren, Geschirr nochmals richtig abwaschen, Gepäck neu organisieren und dergleichen. Und zudem ermüdet es sehr, an einem ganzen Tag nicht zu fahren. Man kommt sich dann so träge vor, so unnütz.
Also nehme ich mir vor, heute einen neuen Fotoapparat zu kaufen (der alte hat offenbar den Geist definitiv aufgegeben). Ein Sony soll es sein, Cybershot, weil ich zu Hause einen „grossen“ Apparat habe, der dieselbe Technologie verwendet. Das ist praktisch, weil man dann die gleichen Ladegeräte, dieselben Memories und dieselben Kabel verwendet kann. Aber das gibt es nicht mehr. Zwar heisst es immer noch Cybershot, aber alles ist anders. Ich kaufe die Kamera trotzdem, ist aber nicht ganz billig, im Vergleich zur Schweiz. Bis wieder alles eingerichtet ist, ist der halbe Tag vorbei. Um mein Gewissen zu beruhigen, putze ich mein Velo. Schalt- und Bremskabel neu schmieren , Kette und Kassette waschen. Aber was ist das? An zwei meiner drei Kettenkränze sind Zähne ausgebrochen, ziemlich hässlich. Da bald ein Ketten- und Kassettenwechsel ansteht, wäre es gut, die beiden beschädigten Kränze auch gleich zu wechseln. Also ab in den nächsten Bike-Shop. Toll, in dieser Stadt sind alle Bike-Shops zusammen an derselben Strasse (es sind mindestens 20 Stück). Gestern ist mir schon aufgefallen, dass alle Musik-Läden in derselben Strasse sind. Das ist irgendwie komisch, aber im Fall der Bikeshops ganz praktisch. So kann man Preise vergleichen und solange suchen, bis man das passende gefunden hat. Im meinem Fall heisst das, das die ersten mir die gesamte Baugruppe mit Kurbeln und Achse verkaufen wollen. Nach ein paar Läden finde ich dann genau das richtige. Das beruhigt, denn jetzt kann ich das Ganze System wechseln, ohne einen Bikeshop aufsuchen zu müssen. Alles ist bereit als Spare-Part in meinem Gepäck.
Wenn ich schon von der Stadt spreche, dann kann man noch einiges ergänzen: Hier sind die Städte nicht sehr alt und auch nicht natürlich gewachsen, sondern vor 100 oder mehr Jahren künstlich angelegt worden. Deshalb sind alle Strassen rechtwinklig oder parallel zueinander. Da sie sehr lange sein können, richtet man sich nach den Hausnummern. In Buenos Aires habe ich Hausnummern über 17'000 gesehen! Zwischendurch gibt es dann eine Avenue, wo der grosse Verkehr fliesst. In aller Regel sind alle Strasse Einbahnstrassen. Auch das ist praktisch, weil man als Fussgänger immer nur auf eine Seite schauen muss. Die Richtung der Einbahn erkennt man an jeder Kreuzung, wo die Richtung ausgeschildert ist. Obschon hier die Verkehrsregeln recht lasch gehandhabt werden, halten sich alle an die Einbahnstrassen. Wegen der Einbahnstrassen sind die Ampeln auch immer gleich angeordnet. Aber aufgepasst, oft befinden sich die Ampeln hinter der Kreuzung. Das ist am Anfang sehr irritierend, weil man sie dann gerne übersieht. Für die Fussgänger gibt es nicht immer Ampeln. Man geht dann einfach, wenn die Strasse frei ist. Das braucht ein wenig Erfahrung und vor allem sollte man bei der Sache sein, denn sonst wird es gefährlich, auch wenn man sagen muss, dass dem Verkehr jegliche Aggressivität fehlt. Die Autofahrer sind rücksichtsvoll und respektieren die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Auch die seltenen Fahrräder. Und was hier auch speziell ist, sind die Strassennahmen. Meist nach berühmten Persönlichkeiten, nach Städten und Ländern oder nach wichtigen Daten (zB 25. Mai) benamst. Hier gibt es keine Blumenstrasse oder Bahnhofstrasse. Ganz speziell sind aber die spontanen Namenänderungen. So kann eine Strasse vor der Kreuzung 25 de Mayo heissen und nach der Kreuzung General Foz. Was hingegen sehr mühsam ist, ist das Vorwärtskommen. An jeder Kreuzung muss man warten, bis die Ampel auf grün geschaltet hat. Das gilt gleichermassen für die Autos, die Busse, die Velos und die Fussgänger. Man kommt in den Südamerikanischen Städten einfach nicht voran.
Am Abend schliesse ich mich gegen meine Gewohnheiten einer Biker-Gruppe an. Wir gehen zum Samstagsmarkt und wollen später gemeinsam nachtessen. Der Markt ist interessant. Viel ansprechende Handarbeit. Vor einem schlichten Schmuckstand bleibe ich stehen. Es ist nur wenig Ware da. Der Verkäufer ist noch daran, seine Ware auszulegen. Wir verstehen uns auf Anhieb und sind sofort Freunde. Er stellt ein paar Fragen und erklärt mir vieles über sein Land, über die Gepflogenheiten de Argentinier etc. Für das Mate (spezielle Art von Thé), das er mir anbietet, braucht er noch warmes Wasser und bittet mich, seinen Stand zu hüten, was ich dann auch mache. So kommt es, dass meine Kanadier an „meinem“ Stand vorbeischlendern und zu ihrer grössten Verwunderung mich als Verkäufer sehen. Da ich ausnahmsweise meine langen Haare offen trage, muss das Bild für sie völlig irreal gewesen sein. Ich trinke also mit meinem Freund Hermann Mate und wir unterhalten uns bis spät in den Abend. In dieser Zeit lerne ich noch seine Tante und viele seiner Freunde kennen. Alles wie selbstverständlich. Ein toller, unvergesslicher Abend.

Samstag, 5. September 2009

SA, Tag 041: Rio Tercero-Cordoba

4. September 2009, Cordoba, Argentinien, km 03’941

Die Fahrt nach Cordoba verläuft ohne nennenswerte Vorkommnisse. Die Strecke ist weiterhin flach, aber diesmal erwas abwechslungsreicher. Ein paar Kurven, ein paar Kreuzungen, ein paar Überholmanöver. Der Verkehr nicmmt auch deutllich zu. Am Horizont erkennt man den Fuss der Anden. In der Sonne leuchten die Berge richtig blau, es tut einem fast weh in den Augen.. Ca 25 km vor der stadt nehmen wir einen Umwergg in Kauf, fahren dafür auf einer Naturstrasse ohne Verkehr richtung Stadt. Die Naturstrasse ist sehr unruhig und voler Riffelstellen. Der bringt meine Sachen in meiner Lenkertasche etwass durcheinander. Für die Fahrt nach Cordoba muss ich mir etwas einfallen lassen, denn sonst bleibt nichts mehr ganz in meiner Satteltasche.Urplötzlich wechselt die Naturstrasse in eine top geteerte Strasse mit Seitenlinien und der ganze schnickschnack. Man fragt sich, warum dieser wecshsel, denn es ist weit und breit kein Haus zu sehen. Diese kommen erstr kurz vor der Stadt. Ferienhäusen, ganz schon, aber alle leer. Die Fahr in die Stadt ist etwas umständlich, aber diesmal stimmt die Beschreibung. Den Abend verbringen wir in der attraktiven Füssgngerzone. Superstadt. Gepflegt, netten Leute, hübsche Frauen, viele Caffees und Restaurants.

Freitag, 4. September 2009

SA, Tag 040: Villa Maria-Rio Tercero

3. September 2009, Rio Tercero, Argentinien, km 03’819

Tatsächlich sind meine gesamte Ausrüstung und meine Kleider heute morgen weitgehend trocken. „Weitgehend“ bedeutet, dass man z. B. die Bike-Kleider anziehen kann, ohne dass einem die E… abfallen. In der Regel ziehe ich bei Regenwetter immer wieder die alten Kleider vom Vortag wieder an (die ich am Abend selbstverständlich ausspüle). Meist sind sie aber noch nass, so dass einem eben die E… abfallen. Dafür muss man keine nassen Kleider einpacken, die dann die gesamte Ausrüstung nass machen. Bei schönem Wetter, vor allem wenn es dazu noch windet, trocknen die Kleider noch abends oder über Nacht, so dass man am nächsten Tag diese Kleider einpacken und andere anziehen kann.
Ich habe also in der letzten Nacht im grossen Saal geschlafen, und weil alle noch ihr Bike darin untergebracht haben, weckt mich heute morgen Tim um 5.00h, weil er sein Bike rausholen muss. Er ist immer der erste, der morgens aufsteht, aber der letzte, der das Camp verlässt. Dazwischen liegen gut 3 ½ Stunden. Keine Ahnung, was er in dieser Zeit alles macht. Ich bin immer der letzte, der aufsteht. Ich verlasse das Camp auch unter den letzten. Die meisten hohle ich dann auf den ersten km wieder ein. Die schnelleren hingegen sind schwer einzuholen, weil sie natürlich schnell sind, insbesondere bei Rückenwind. Eine kleine Rechnung soll das verdeutlichen. Wenn einer eine ½ Stunde vorher abfährt und 30 km/h fährt, hat er 15 km Vorsprung. Wenn ich mit 32 km/h fahre, brauche ich 7½ Stunden oder ca. 220 km, um ihn einzuholen (er ist somit uneinholbar). Oder: wenn ich jemanden am Horizont mit 5 km Vorsprung sehe und ich nur 1 km/h schneller fahre als er, brauche ich 5 Stunden, um in einzuholen. Solche und ähnliche Berechnungen stelle ich heute an, denn die heutige Fahrt ist wirklich sehr langweilig. Immer noch ist alles flach, und die Strecke ist sehr einfach: raus aus dem Camping, links auf die Hauptstrasse, bei km 39 rechts abbiegen bis zum Hotel Argentina in Rio Tercero. That’s it. Das muss ich nicht aufschreiben, das kann sogar ich im Kopf behalten. Dazwischen gibt es nichts erwähnenswertes. Sogar den Lunch (der sonst immer eine willkommene Abwechslung darstellt, auch wenn die Sandwiches immer gleich aussehen) lasse ich aus. Es ist mir zu kalt und zu nass, um anzuhalten. Dafür gehe ich in Rio Tercero, das ich als erster erreiche, in ein italienisches Restaurant und esse Teigwaren. Ich habe also heute morgen meine Schuhe in die Pedalen eingeklickt und bin 107 km später wieder aus die Pedale rausgeklickt. Ein einziges mal bin ich abgestiegen. Als ich nämlich Jessicas Schlauch gewechselt habe. Mit ihren dünnen Pneus hat sie sich nämlich eine Platten geholt. Ihre Ausrüstung ist definitiv nicht dazu geeignet, in Südamerika Velo zu fahren. Und wenn man ihre sauber manikürierte Fingernägel sieht, dann muss man fast annehmen, dass nicht nur ihre Ausrüstung fehl am Platz ist. Ich helfe ihr also mit ein paar Handgriffen, ihren Schlauch zu wechseln, und fahre im Nieselregen weiter.
Auf meinem Bike fühle ich mich immer wohler. Keine Rücken- oder Nackenschmerzen. Die Kniee sind ok, die Hüften auch. Und seit ich meinen Sattel etwas runtergesetzt habe, haben die Schmerzen in den Fersen deutlich nachgelassen, auch nach einem Tag wie heute (lang, kalt und nass).Morgen sind wir in Cordoba, der 2. grössten Stadt Argentiniens (1.3 Mio Einwohner. Schon mal was von Cordoba gehört?). Dann geht’s in die Berge, das sieht man dem Strassenverlauf auf der Karte sofort an. Fertig tagelang gerade Strassen! Jetzt kommen die Kurven und Höhenmeter.

Donnerstag, 3. September 2009

SA, Tag 039: Bouquet-Villa Maria

2. September 2009, Villa Maria, Argentinien, km 03’712

Heute sitze ich wieder auf meinem Bike. Der morgen überrascht uns mit einem Dauerregen. Eine gute Gelegenheit, meine in BA gekauften Neopren-Überschuhe einzuweihen. Da ich gestern die Einfahrt ins Dorf verpennt habe (ich war ja im Truck), finde ich heute den Weg auf die Hauptstrasse nicht sofort. Erst mit viel Verspätung komme ich also in Fahrt. Irgendwann schleicht sich ein Polizeiauto hinter mich und begleitet mich auf ca. 15 km . Ich weiss nicht so recht, was das soll. Wollen sie mich eskortieren, sicher sein, dass ich die Stadt auch wirklich verlasse oder mich imponieren? Keine Ahnung. Ich bin heute gut drauf, und wir haben Rückenwind. Unterwegs überhohle ich sogar einen Zug. Das ist neu. Ich habe schon vieles überholt: Velos, Autos, Motorräder, Schiffe, Cars, PTT-Bus, Krankenwagen (Krankenwagen mit Blaulicht war mal in Reichweite, aus Respekt auf den Verunfallten habe ich dann auf das Überholmanöver verzichtet). Aber ein Zug, das ist was wirklich neues. Und der war lang, und das hat gedauert! Heute bin ich für jede Abwechslung froh, denn die Strasse könnte nicht langweiliger sein. Über 100 km und mehr gerade, ohne Kreuzung, ohne Verkehr, ohne Steigung. Über jeder Schlagloch freut man sich und umfährt es umständlich, nur um sich wach zu halten. Und alles ist weiterhin flach. Es gibt auf den gesamten 138 km nicht eine Steigung. Die 12cm Randstein bei der Ausfahrt aus dem Camping sind die einzigen Höhenzentimeter, die ich heute fahre! Aber bald wird sich das ändern, den die Anden kommen immer näher, und dort wird es Höhenmeter zu Hauff geben.
In der Ferne sehe ich Bäume, die sind vielleicht 20-30km weit weg. Das heisst, dass man von meinem Sattel aus ca. 3000 km2 überblickt. Das ist 6x die Fläche des Kanton Baselland!!!
Der Zeltplatz heute ist eine Katastrophe. Nichts funktioniert, alles ist kaputt. Zudem befindet er sich wie immer am Ende der Stadt. Das macht die letzten km immer so mühsam, denn man muss die ganze Stadt durchqueren, was beim Ermüdungsgrad gefährlich ist und dieses Stop and Go geht unheimlich in die Knochen. Zudem ist man nie ganz sicher, ob man nicht vom Weg abgekommen ist.
Kurz vor dem Dinner entdecken wir einen Riesen B allsaal, den wir frei nutzen können. Nach dem Essen zügle ich mein Zelt, das ohne Hderinge frei stehen kann, in den Ballsaal. Damit bin ich sicher, dass es morgen beich packen trocken ist. Das ist wichtig, denn motgen übernachten wir in einem Hotel, wo das Zelttrocknen immer sehr umständlich ist. Natürlich mockieren sich ein paar über meine Entscheidung, aber etwas später hat es mir die Hälfte nachgemacht. Der Boden ist hart, was mr wiederum die Gelegenheit gibt, meinen Zeltboden zu putzen. Das geht nämlich nur, wenn der Boden flach und hart ist.
Und dann fällt mir noch ein, dass ich über Uruguay noch gar nichts gesagt habe. In Europa kennt ja keiner Uruguay und man macht sich völlig falsche Vorstellungen. Ein Land voller Banditen, Halbstarken und Zuhälter. Keine Kultur, keine Industrie, keine Zukunft. Alles falsch. Die Menschen sind übermässig freundlich. In den Städten und auf der Strasse herrscht Ordnung und nirgends ist Hektik auszumachen. Der Verkehr rollt in den Städten mit 30 km. Alle sind Rücksichtsvoll. Keine Aggressivität, auch auf den Strassen nicht. Ein ideales Ferienland. Ich kann nur empfehlen, sich über Uruguay zu informieren und allenfalls mal in Uruguay Ferien zu machen. Es gibt hier tolle Städte und Strände. Ende der Propaganda.
Übrigens fällt es mir immer schwerer, in deutsch zu schreiben. Unterwegs rede ich englisch, zu den Einheimischen versuche ich es mit spanisch, dann rede ich auch noch französisch und deutsch. Aber mit der deutschen Schrift wird es immer schwerer. Ich muss immer mehr meine Worte suchen und überlegen, wie ich denn den Satz fertig mache.

Mittwoch, 2. September 2009

Sa, Tag 038: Baigorria-Bouquet


1. September 2009, Buquet, Argentinien, km 03’574

Heute gibt es nur wenig zu schreiben. Kurz vor der Abfahrt heute morgen habe ich mich entschieden, im Truck zu fahren. Unterwegs nehmen wir noch Jessica mit auf den Truck, die auf der rutschigen Strasse mit ihrem Rennvelo gestürzt ist. Noch ganz benommen wird sie von Ricardo, unserem Samariter, gepflegt. Ausser ein paar Schürfungen nichts wirklich schlimmes. Nicht einfach, für die neuen, denen die Erfahrung noch fehlt. Ansonsten verläuft die Fahrt ohne Problem. Dank dem günstigen Rückenwind treffen die ersten Fahrer gemeinsam mit den Begleitfahrzeugen im Camping ein. Dieses ist heute sehr primitiv eingerichtet (ganz schlechte WCs, keine Duschen, keine Waschgelegenheit, dafür 2 lärmige Fussballplätze). Ansonsten Routine.
Leider funktioniert mein Fotoapparat immer noch nicht, so dass ich heute auf ein altes Foto zurückgreifen muss. Hoffentlich geht es morgen besser.

Dienstag, 1. September 2009

SA, Tag 037: San Pedro-Baigorria


31. August 2009, Baigorria, Argentinien, km 03’424

Heute kann ich mir das Tagebuch schreiben sparen. Der Tag verläuft genau gleich wie der 17. August. Klebrige, unglaublich rutschige Lehmstrassen! Unbeschreiblich!!!. Und diesmal fahren wir gut 150 km. Für die erfahrenen Biker Routine, für die neuen hingegen gar nicht so einfach. Aber man gewöhnt sich an so manches. Heute gibt es ein Novum. Ich treffe im Camp ein, bevor unsere Begleitfahrzeuge eingetroffen sind. Beide sind sie im Lehm steckengeblieben!
Dummerweise ist Wasser in meine Lenkertasche eingedrungen, so dass alles klatschnass ist. Auch mein Fotoapparat, der damit ausser Funktion ist. Schade, denn Rosario, wo wir gegen Ende des Nachmittags durchfahren, ist eine sehr schöne Stadt (schon was von Rosario gehört? 1.2 Million Einwohner!). Insbesondere die Brücke hat es mir angetan. Vielleicht bekomme ich ein Foto von einem anderen Teilnehmer. Dirk hatte heute weniger Glück als ich. Er ist wie viele andere auch gestürzt. Da der Boden weich ist, hat es ihm natürlich nicht weh getan, aber das Bike ist unbrauchbar. Duncan, unser Mech aus Neuseeland, versucht nun seit Stunden, das Bike wieder benutzbar zu machen.
Ansonsten nicht viel neues hier in Argentinien.