Sonntag, 6. September 2009

SA, Tag 042: Ruhetag in Cordoba


5. September 2009, Cordoba, Argentinien, km 03’941

Schon wieder ein Ruhetag. Irgendwie tun mir diese nicht gut. Man hat dann sofort das Gefühl, dass man alles erledigen sollte, was noch offen ist: Fingernägel schneiden, Zelt rausputzen, Bike revidieren, Geschirr nochmals richtig abwaschen, Gepäck neu organisieren und dergleichen. Und zudem ermüdet es sehr, an einem ganzen Tag nicht zu fahren. Man kommt sich dann so träge vor, so unnütz.
Also nehme ich mir vor, heute einen neuen Fotoapparat zu kaufen (der alte hat offenbar den Geist definitiv aufgegeben). Ein Sony soll es sein, Cybershot, weil ich zu Hause einen „grossen“ Apparat habe, der dieselbe Technologie verwendet. Das ist praktisch, weil man dann die gleichen Ladegeräte, dieselben Memories und dieselben Kabel verwendet kann. Aber das gibt es nicht mehr. Zwar heisst es immer noch Cybershot, aber alles ist anders. Ich kaufe die Kamera trotzdem, ist aber nicht ganz billig, im Vergleich zur Schweiz. Bis wieder alles eingerichtet ist, ist der halbe Tag vorbei. Um mein Gewissen zu beruhigen, putze ich mein Velo. Schalt- und Bremskabel neu schmieren , Kette und Kassette waschen. Aber was ist das? An zwei meiner drei Kettenkränze sind Zähne ausgebrochen, ziemlich hässlich. Da bald ein Ketten- und Kassettenwechsel ansteht, wäre es gut, die beiden beschädigten Kränze auch gleich zu wechseln. Also ab in den nächsten Bike-Shop. Toll, in dieser Stadt sind alle Bike-Shops zusammen an derselben Strasse (es sind mindestens 20 Stück). Gestern ist mir schon aufgefallen, dass alle Musik-Läden in derselben Strasse sind. Das ist irgendwie komisch, aber im Fall der Bikeshops ganz praktisch. So kann man Preise vergleichen und solange suchen, bis man das passende gefunden hat. Im meinem Fall heisst das, das die ersten mir die gesamte Baugruppe mit Kurbeln und Achse verkaufen wollen. Nach ein paar Läden finde ich dann genau das richtige. Das beruhigt, denn jetzt kann ich das Ganze System wechseln, ohne einen Bikeshop aufsuchen zu müssen. Alles ist bereit als Spare-Part in meinem Gepäck.
Wenn ich schon von der Stadt spreche, dann kann man noch einiges ergänzen: Hier sind die Städte nicht sehr alt und auch nicht natürlich gewachsen, sondern vor 100 oder mehr Jahren künstlich angelegt worden. Deshalb sind alle Strassen rechtwinklig oder parallel zueinander. Da sie sehr lange sein können, richtet man sich nach den Hausnummern. In Buenos Aires habe ich Hausnummern über 17'000 gesehen! Zwischendurch gibt es dann eine Avenue, wo der grosse Verkehr fliesst. In aller Regel sind alle Strasse Einbahnstrassen. Auch das ist praktisch, weil man als Fussgänger immer nur auf eine Seite schauen muss. Die Richtung der Einbahn erkennt man an jeder Kreuzung, wo die Richtung ausgeschildert ist. Obschon hier die Verkehrsregeln recht lasch gehandhabt werden, halten sich alle an die Einbahnstrassen. Wegen der Einbahnstrassen sind die Ampeln auch immer gleich angeordnet. Aber aufgepasst, oft befinden sich die Ampeln hinter der Kreuzung. Das ist am Anfang sehr irritierend, weil man sie dann gerne übersieht. Für die Fussgänger gibt es nicht immer Ampeln. Man geht dann einfach, wenn die Strasse frei ist. Das braucht ein wenig Erfahrung und vor allem sollte man bei der Sache sein, denn sonst wird es gefährlich, auch wenn man sagen muss, dass dem Verkehr jegliche Aggressivität fehlt. Die Autofahrer sind rücksichtsvoll und respektieren die schwächeren Verkehrsteilnehmer. Auch die seltenen Fahrräder. Und was hier auch speziell ist, sind die Strassennahmen. Meist nach berühmten Persönlichkeiten, nach Städten und Ländern oder nach wichtigen Daten (zB 25. Mai) benamst. Hier gibt es keine Blumenstrasse oder Bahnhofstrasse. Ganz speziell sind aber die spontanen Namenänderungen. So kann eine Strasse vor der Kreuzung 25 de Mayo heissen und nach der Kreuzung General Foz. Was hingegen sehr mühsam ist, ist das Vorwärtskommen. An jeder Kreuzung muss man warten, bis die Ampel auf grün geschaltet hat. Das gilt gleichermassen für die Autos, die Busse, die Velos und die Fussgänger. Man kommt in den Südamerikanischen Städten einfach nicht voran.
Am Abend schliesse ich mich gegen meine Gewohnheiten einer Biker-Gruppe an. Wir gehen zum Samstagsmarkt und wollen später gemeinsam nachtessen. Der Markt ist interessant. Viel ansprechende Handarbeit. Vor einem schlichten Schmuckstand bleibe ich stehen. Es ist nur wenig Ware da. Der Verkäufer ist noch daran, seine Ware auszulegen. Wir verstehen uns auf Anhieb und sind sofort Freunde. Er stellt ein paar Fragen und erklärt mir vieles über sein Land, über die Gepflogenheiten de Argentinier etc. Für das Mate (spezielle Art von Thé), das er mir anbietet, braucht er noch warmes Wasser und bittet mich, seinen Stand zu hüten, was ich dann auch mache. So kommt es, dass meine Kanadier an „meinem“ Stand vorbeischlendern und zu ihrer grössten Verwunderung mich als Verkäufer sehen. Da ich ausnahmsweise meine langen Haare offen trage, muss das Bild für sie völlig irreal gewesen sein. Ich trinke also mit meinem Freund Hermann Mate und wir unterhalten uns bis spät in den Abend. In dieser Zeit lerne ich noch seine Tante und viele seiner Freunde kennen. Alles wie selbstverständlich. Ein toller, unvergesslicher Abend.

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