Montag, 31. August 2009

SA, Tag 036: Capilla del Senor-San Pedro


30. August 2009, San Pedro, Argentinien, km 03’268

Heute bin ich fast der letzte, der das Camp verlässt. Und gleich bei der Ausfahrt aus der Stadt verfahre ich mich. Da ich Velo-Spuren auf der Naturstrasse erkennen kann, bin ich nicht allzu beunruhigt. Vor mir fährt ein anderer Biker, der sich ebenso verfahren hat, und die allgemeine Richtung stimmt Nach etwa einer Stunde Fahrt überhole ich den anderen Biker. Ein Einheimischer! Diesmal ist es kein Rennfahrer, sondern genau das Gegenteil. Sein Bike ist mit 100 Taschen beladen. Überall hat es Rückspiegel, Lampen, Rückstrahler, Telefone und GPS. Dank letzterem weiss ich so etwa, wo ich bin und bin zuversichtlich, bald wieder zu meine Kollegen zurückzufinden. Ich fahre noch ein paar km mit ihm zusammen. Er heisst Paul und bereitet sich auf eine lange Reise in Bolivien vor. Ich sage ihm, dass ich unterwegs bin nach Quito. Immer wieder fragt er mich, wann ich denn abfliege. Und obschon ich ihm sage, dass ich mit meinem Bikje nach Quito unterwegs bin, fragt er wieder nach dem Abflug. Für ihn ist es schlicht unvorstellbar, mit einem Bike in Südamerika so weit unterwegs zu sein
Unsere heutige Wegbeschreibung ist eine Katastrophe und völlig unbrauchbar. Lauter „nach x km rechts abbiegen, danach gerade aus“. Damit kann man seinen Weg nicht zurückfinden und kein Einheimischer kann einem helfen. Ich folge also meiner Intuition, die dank der Erfahrung aus den letzten Wochen so langsam verlässlich wird, und treffe tatsächlich auf zwei Kollegen. Merkwürdig ist nur, dass wir gemeinsam auf eine Kreuzung treffen, sie von einer Seite, ich von der gegenüberliegenden Seite, und dass wir denselben km –Stand auf unserem Tacho haben. Ich muss also gleichzeitig einen Umweg und eine Abkürzung gefahren sein. Da wir alle in dieselbe Richtung abbiegen, müssen wir auf dem richtigen Weg sein. Und tatsächlich steht nur wenige km später der erlösende Puckup am Strassenrand: Lunch-Time. Beim essen stellt sich dann heraus, dass wir nicht etwa im Mittelfeld sind, sondern dass wir die ersten sind, die beim Lunch erscheinen. Alle anderen haben sich verfahren! Wir halten deshalb Ausschau nach jedem Velofahrer, und ich treffe wieder auf Paul, der sich offenbar auch in der Nähe herumtreibt.
Nach dem Lunch sind es nur noch ca. 75 km. Unter normalen Umständen sind das 3 bis 4 Stunden Fahrt. Nicht so heute. Ein unglaublicher Gegenwind bläst uns direkt ins Gesicht, und wir fahren bei brühender Hitze max. 10 bis 12 km/h. Ein endloser Kampf gegen die Naturgewalten. Ich mit meiner Grösse und meinem Riesenbike komme kaum vom Fleck. Trotzdem treffe ich als einer der ersten ein, völlig ausgelaugt. Der Zeltplatz ist sehr schön gelegen und von einer Menschenmasse besetzt. Alle hören sie Fussball am Radio und geniessen gleichzeitig den Sonntag mit ihrer Familie. Es ist beeindruckend, wie die Leute hier ihren Sonntag gemeinsam geniessen können.

Sonntag, 30. August 2009

SA, Tag 035: Buenos Aires-Capilla del Senor


29. August 2009, Capille del Senor, Argentinien, km 03’141

Endlich raus aus BA. Dazu werden alle Bikes in den Truck verladen und wir fahren die ersten 50 km raus aus der Stadt gemeinsam im Truck. Inzwischen haben uns ein paar neue Teilnehmer erreicht, so dass es ganz schön eng ist im Truck. Die Stadt ist riesig, und ich realisieren, wie klein der Bruchteil ist, den ich von BA gesehen habe. Wir fahren nochmals vorbei am Bahnhof, an den Hochhäusern. Die Quartiere werden immer vornehmer und viele Leute joggen auf der Strasse, es ist Samstag morgen. Nach gut 2 Stunden Fahrt verlassen wir den Truck und zuerst gibt’s Lunch. Danach geht’s mit dem Bike weiter. Es ist heiss und der Weg führt wieder einmal über eine Lehmstrasse. Da es trocken ist, ist die Strasse steinhart, also kein Problem. Ich treffe relativ früh im Camp ein, was mir erlaubt, einen kurzen Vor-Dinner-Schlaf zu machen. Nach dem Dinner fliehen wir vor den Mücken (es sind nicht die lahmen Mücken, wie ich sie von zu Hause her kenne, sondern es sind High-Tech-Mücken, die viel grösser sind und viel genauer fliegen. Dafür kann man sie nicht hören) und gehen für ein Glace nochmals kurz in die Stadt. Die Leute hier sind wieder freundlich und nett, die Frauen haben ihren Charme wiedergefunden. Alles ist wieder beim alten. Insgesamt ein etwas langweiliger Tag, der uns in die Normalität zurückführt.

Samstag, 29. August 2009

SA, Tag 034: 2. Ruhetag in Buenos Aires


28. August 2009, Buenos Aires - Argentinien, km 03’042

Ich gebe heute der Stadt Buenos Aires ein zweite Chance. Morgens stehe ich früh auf und gehe als erstes Geld abheben. Mit diesem Geld hole ich mich im Bike-Schop neue Allwetter-Handschuhe (die alten sind schon fast durchgescheuert), einen Rückspiegel und etwas Öl für meine Kette. Die Verkäufer sind extrem unfreundlich und ich erkläre bereits um 9.30h den zweiten Versuch als gescheitert. Ohne Zweifel ist Buenos Aires die unfreundlichste Stadt, die ich je besucht habe. Auf dem Zurückweg gehe ich noch beim Zentralbahnhof vorbei. Sehr schön. Endlich ein paar architektonisch ansprechende Gebäude. Am Fuss dieser Gebäude geht eine 8-spurige Strasse vorbei. Sie verbindet den Hafen direkt mit der Umgebung von BA. Alles nur Lastwagen, Stosstange an Stossstange. Wenn man Glück hat und lange genug läuft, stösst man an einen Fussgängerübergang. Dafür, dass die Anlage mal auf grün schaltet, braucht es Extra-Glück. Den weiteren Verlauf des Tages verbringe ich mit Rumspazieren. Mein gestriges Urteil über die Leute aus Buenos-Aires bestätigt sich nur noch. Wenn man mich (in verknitterten schwarzen Jeans, an den Füssen ausgelatschte Crogs, mit altem Levis-T-Shirt) spontan auf der Strasse zum elegantesten Buenosairer erklärt hätte, ich wäre gar nicht mal gross überrascht gewesen. Mit offenen Haaren hätte ich sogar Chancen auf die eleganteste Buenosairerin. Nein, das ist jetzt wirklich übertrieben, denn wenn die Frauen hier weniger Charm haben als meine Bike-Wasserflasche, so muss man ihnen doch zu Gute halten, dass sie sehr schöne, sehr lange, sehr gepflegte und toll geschnittene Haare haben. Ein Lob an die Friseure in Buenos Aires (man muss halt nur lange genug suchen, und hopp, schon findet man etwas gutes zu berichten)!
An sonsten gibt es nicht viel zu vermelden aus BA. An sich hat diese Stadt zwei Gesichter. Wenn es hell ist, herrscht hier ein unheimliches Treiben. Extrem viel Verkehr, viele Leute auf den Strassen, alle sehr beschäftigt, viel Staub (notfalls gehe ich nach 10 Stunden biken ohne Dusche in meinen Schlafsack, wenn es sein muss, hier habe ich nach 30 Sek. auf der Strasse das sofortige Bedürfnis, mich zu waschen). Und so gegen 18.00h verschwinden als erstes die Autos, danach verschwinden die Busse, später die vielen Taxis und als letztes verschwinden die Fussgänger. Und dann kommen die Armen. Denn kürz vor Dunkelheit stellt jeder seine Abfallsäcke vor die Hautüre. Und dann kommen die armen und leeren alles auf die Strasse und suchen sich alles ess- oder brauchbare heraus, das sie dann in zusammengeschusterte Wägelchen ich weiss nicht wohin transportieren. Die Strasse versinkt im verbleibenden nutzlosen Abfall. Aber am nächsten Morgen ist dann alles wieder ganz schon aufgeräumt, dafür sorgt die Mülleinsammlung und –abfuhr. Was sonst noch auffällt, in dieser Stadt? Der Hundespazierdienst vom Mittag! Offenbar haben die Leute über Mittag keine Zeit, ihren Hund spazieren zu führen. Also beauftragen sie einen Hundespazierdienst. Dieser sammelt die Hunde im Duzend ein und führt die Hunde, welche wie Trauben am Hundespazierer hängen, auf die Strasse. Besonders spannend wird die Geschichte, wenn zwei Truppen aufeinander stossen (vorher unbedingt in Sicherheit bringen!!!), denn der stärkste Hundespazierer kann nicht verhindern, dass alle Hunde aufeinander losgehen. Ein Riesengetto.
Morgen fahren wir weiter, Richtung Cordoba und in 18 Tagen sind wir in Santiago de Chile. Vom Atlantik zum Pazifik, in etwas mehr als 3 Wochen.

Freitag, 28. August 2009

SA, Tag 033: 1. Ruhetag in Buenos Aires


27. August 2009, Buenos Aires - Argentinia, km 03’042

Heute ist Ruhetag. Ich nutze den Tag und besuche Buenos Aires. 13 Mio. Einwohner, 2 mal die Schweiz, in einer Stadt. Zum Glück sind die Sehenswürdigkeiten alle im Zentrum, so dass man alles zu Fuss besuchen kann. Nach ca. 4 Stunden bin ich zurück in der Herberge, enttäuscht. Die Stadt bietet keine eigentliche Sehenswürdigkeiten. Und was knapp interessant wäre, ist entweder geschlossen oder im Umbau. Architektonisch hat die Stadt kaum etwas zu bieten. Sie ist laut, eng, stinkt, ist umweltverschmutzt. Die Leute sind unfreundlich. Die Frauen eingeschüchtert, ohne Selbstbewusstsein, durchsichtig und abgelöscht, haben keinen Sinn für Mode, unmöglich geschminkt, total ohne Charme, wie die Stadt. Einzig ein paar reiche Frauen kommen hochgetakelt daher, to much! Der sonst deutlich spürbare Einfluss aus Italien ist an den Menschen inexistent. Fast bin ich froh, bald wieder aus dieser Stadt zu kommen. Auf dem Land ist es deutlich spannender.
Nach nun 2 Tagen ohne Biken bin ich langsam nervös. Und morgen ist nochmals Ruhetag. In der Zwischenzeit habe ich deutlich an Gewicht verloren. Meine Hosen sind viel zu weit, obschon ich wie verrückt esse. Speziell heute Abend habe ich ausgezeichnet gegessen. Eigentlich sind wir zufällig in eine Richtung gelaufen. Nach ein paar 100m laufen wir an einem Restaurant vorbei, und was steht da? „Coque au vin“. Das hört sich doch ganz vernünftig an. Und der Rest der Karte, alles französische Leckerbissen. Die Preise? Im Rahmen. Die anderen wollen weiterziehen, aber schliesslich kann ich sie doch dazu überreden, einzutreten. Der Patron kommt uns sofort entgegen, begrüsst uns freundlich auf spanisch. Ich antworte ihm auf französisch. Verblüfft schaut er mich an und spricht mich auch auf französisch an. War ja nicht schwer zu erraten, dass er französisch spricht. Wer hat denn sonst eine Jura-Fahne in seinem Restaurant, wenn nicht ein Jurassier? Das Essen: Salat mit gebackenem Ziegen-Käse, Lapin à la moutarde de Dijon und Tarte Tatin lässt keine Wünsche offen. Ein selten guter Abend, der meine Enttäuschung über Buenos Aires etwas dämpft. Danke, Pascal Meyel und seine Brasserie Petanque.
War gar nicht so einfach, ein Bild von mir zu machen. Vor dem Spiegel auf der Toilette ist es mir schlussendlich doch noch irgendwie gelungen. Das nächste mal werde ich auch noch dazu lächeln, versprochen.

Donnerstag, 27. August 2009

SA, Tag 032: Colonia-Buenos Aires


26. August 2009, Buenos Aires - Argentinia, km 03’042

Zurück in Argentinien. Nebenbei bemerkt bedeutet Buenos Aires nicht etwa, dass es dort gute Luft gibt (das wäre allzu höhnisch, denn die Luft ist ausgesprochen schlecht wegen dem Verkehr, dem fehlenden Wind und der nicht vorhandenen Vegetation), sondern dass die Stadt ursprünglich nach der Schutzheiligen der Seefahrer, der „Santa Maria del Buen Ayre“ (zu deutsch Heilige Maria des Guten Windes), bennant wurde, um die Winde günstig zu beeinflussen. Und wenn wir schon dabei sind, so habe ich auch herausgefunden, dass Uruguay richtig „Republica Oriental del Uruguay“ (=ROU, also zu deutsch Republik Östlich des Uruguay) heisst. Der Uruguay ist ein grosser Fluss, dem wir schon seit längerem gefolgt sind.
Heute morgen sind wir also vom Hotel in Colonia an den Hafen gefahren, haben unser Gepäck und unsere Fahrräder zum Verladen abgegeben. Wie immer hat James (einer der beiden jungen Engländer) wieder mal eine seiner tollen Überraschung parat: er hat seinen Pass im Gepäck vergessen!!! Also das ganze Gepäck wieder zurückholen, bis James seinen Pass wiedergefunden hat, Das alles sehr zum Ärger der Hilfskräfte, die ihren Ärger später an unseren Fahrrädern auslassen.
Die Überfahrt dauert ca. 1 Stunde. Danach fahren wir als Bike-Convoy durch Buenos Aires bis zur Unterkunft. Ich glaube, wir hätten als Hannibal verkleidet mit Elefanten kommen können, die Wirkung wäre nicht grösser gewesen. Wie Astronauten werden wir bestaunt, bis wir bald in der Herberge ankommen. Zum Glück können wir unsere Bikes verstauen, und zwar an einem sicheren Ort. An einem ganz sicheren Ort: auf der Dachterrasse, im 2. Stock, hindurch durch enge Gänge und steile Treppen! An einem ganz ganz ganz sicher Ort!
Durch einen mirakulösen Umstand, den ich nicht komplett gecheckt habe, findet Miles seine Pässe wieder. Irgendwie hat eine Frau die Pässe gefunden und über die Polizei unsere Tel-Nummern erfahren. Dubios, aber wir sind halt in Südamerika.
Und zur Berühmtheit habe ich es immer noch nicht gebracht, nicht mal nach der Warhol’schen Definition. Der Film dauert ja nur 2.14 min (für Warhol hätten es 15 min sein müssen) und ich bin ja nur in kurzen Sequenzen im Juve-Tricot zu sehen:
http://portal.rpc.com.br/tv/cataratas/video.phtml?Video_ID=56371&Programa=paranatv1edicao&tipo=&categoriaNome

Mittwoch, 26. August 2009

SA, Tag 031: Carmelo-Colonia


25. August 2009, Colonia - Uruguay, km 03’042

Eigentlich habe ich eine gute Nacht verbracht, und ich bin beim aufstehen fast überrascht, das heute Nacht nichts vorgefallen ist. Nach dem Morgenessen aber erfahren wir, dass gestern Abend das Zelt von Miles, unserem Koch, der sein Zelt immer sehr weit weg vom Truck aufstellt, mit einem Messer aufgeschnitten wurde und dass seine Reisetasche inkl. Geld und Pass gestohlen wurden. Ich bin froh, dass ich meinem Instinkt gefolgt bin und meine Zelt gezügelt habe, auch wenn viele über mein Verhalten gelacht haben!
Auf unseren letzten Fahrt in Uruguay knacken wir die 3000 km-Grenze nach 31 Tagen Fahrt in Südamerika. Ohne Ruhetage bringen wir es sogar auf durchschnittlich fast 125 km pro Tag! Erstaunlich, zu was der Mensch fähig ist. Man gewöhnt sich so schnell daran. Die heutigen 80 km „erledige“ ich zum Beispiel in 2 ½ Stunden. Dies nicht zuletzt dank eines Einheimischen, der mich ca. 30 km vor Colonia auf seinem Rennrad überholt. Wer mich kennt, weiss, dass ich das nicht gerne habe. Also hänge ich mich in seinen Windschatten. Natürlich merkt der Einheimische das sofort und versucht, mich abzuschütteln. Was würden denn sein Kollegen denken, wenn sie ihn sehen würden in Begleitung eines Touristen, mit Lenkstangentasche, 2.1“-Reifen, Helm und Juve-Leibchen. Er: Carbon-Rennrat und Vollwichs, alles nur vom feinsten. Er fährt aber auch gut, das muss ich ihm zugestehen, und so geht’s mit 50 Sachen Richtung Stadt. Immer wieder versucht er, mich abzuhängen. Nur stellt er sich falsch an. Er versucht es immer in den kurzen Steigungen. Er ahnt natürlich nicht, dass ich aus der Schweiz bin und solche Steigungen durchtrete. Ganz Uruguay kann mich nicht in diesen Steigungen schlagen, dafür gibt es da einfach zu wenig Berge (es gibt hier überhaut keine Berge, sondern nur solche 20m-Steigungen). Würde er hingegen auf den Flachen mal Gas geben, würde er mich schon alleine wegen der Übersetzung abhängen (Rennräder sind viel länger übersetzt, so dass man mit einem Rennrad mit viel höheren Geschwindigkeiten noch treten kann). Kurz vor der Stadt ist er völlig ausgebrannt und lässt mich vorfahren. Beim vorbeifahren bedanke ich mich höflich auf spanisch und zeige ihm gleich, wie man in der Schweiz Steigungen durchtritt. Danach habe ich nicht mehr gesehen. Schade, denn er war ein guter regelmässiger Fahrer. Der Rest des Tages geht schnell vorbei. Kurz einpuffen, Wäsche machen, Bike auf Vordermann bringen, Stadtbesichtigung, Nachtessen, Blog schreiben und ab in die Federn.

Dienstag, 25. August 2009

SA, Tag 030: Mercedes-Carmelo


24. August 2009, Carmelo - Uruguay, km 02’962

Heute fahre ich am Morgen mit Randy. Wir diiskutieren die verschiedenen Fahrstile und deren diversen Beanspruchungen. Angesichts meiner Fersenprobleme schlägt er mir einen andere Technik vor. Gar nicht so einfach, nach x-Tausend Kilometern die Tret-Technik zu ändern. Ich will es versuchen, schliesslich habe ich noch viele km vor mir, um es zu lernen. Die Fahrt ist sehr kurzweilig, so dass wir bald in Carmelo ankommen. Der Zeltplatz entpupt sich als einfaches Camp im Freien ohne Duschen und Toiletten, aber das sind wir uns mittlerweile gewohnt. Nachdem ich mein Zelt aufgeschlagen habe, fahre ich zurück in die Stadt, um ein Kaffee zu trinken, idealerweise mit einem Stück Kuchen. Aber in dieser Stadt gibt es , wie übrigens in ganz Uruguay, kaum Restaurants. Dennoch komme ich zu meinem Kaffee und einem Flan (als Kuchenersatz ganz passabel). Anschliessend finde ich sogar einen LAN-Shop, wo ich meinen Blog nachführen kann und ein paar e-Mails schreibe. Danach fahre ich noch vor Dunkelheit (hier wird es um 18.00h bereits dunkel) zurück ins Camp zum Nachtessen. Barbeque ist angesagt. Zum Glück gibt es zur Vorspeise Spaghetti mit einer ausgezeichneten Rotweinsauce (das einzige vernünftige, das man mit dem Wein hier anfangen kann). In unmittelbarer Nähe spielt sich hier Merkwürdiges ab. Einerseits sind wir von Junkies umgeben, die uns ständig anpöbeln. Zudem muss es sich in der Stadt herumgesprochen haben, dass wir am Strand zelteln, den ständig fahren vollbeladene Autos und Motorräder unmittelbar an uns vorbei. Ohne Scham glotzen sie uns an, als hätten wir die Lepra. Ich komme mir vor wie im Zoologischen Garten oder wie die amerikanischen Pioniere, die damals in den wilden Westen zogen und abends ihre Wagenburg bauten, um sich gegen die Indianer zu schützen. Die ganze Stadt fährt an uns vorbei. Die Stimmung ist angespannt, irgendwie spüre ich, das etwas in der Luft legt. Deshalb zügle ich mein Zelt weg vom Weg inmitten einer kleinen Zeltgruppe, wo ich mich sicherer fühle. Um 20.00h bin ich im Bett, höre noch etwas Musik (Supertramp live in Paris) und schlafe trotz der Verunsicherung schnell ein.

Montag, 24. August 2009

SA, Tag 029: Paysandu-Mercedes


23. August 2009, Mercedes - Uruguay, km 02’853

Heute sind wir wieder gegen den Wind unterwegs, insbesondere am Nachmittag. Da Sonntag ist, haben wir keinen Verkehr, was sehr angenehm ist. Gemütliche Fahrt an vielen grossen Ranchs vorbei, und unterwegs sehe ich viele bunte Vögel, unter anderem leuchtend grüne Papageien(?).
In Mercedes (diesmal in Uruguay, das letzte mal war es Mercedes in Argentinien) herrscht eine ausgelassene Stimmung. Alle sind auf der Strasse und geniessen den warmen Sonntag. Viele sind mit ihren Kindern unterwegs. Dazu benutzen sie das Kleinmotorrad, das Platz bietet für den Vater (am Steuer), die Mutter (als Sozius) und den beiden Kindern (als Beifahrer, immer mit Integralhelm). In der Hand noch die Thermosflasche oder eine sonstige Flasche. Der Verkehr ist hier sehr ruhig. Die ganze Stadt ist unterwegs, aber keiner fährt schneller als 30 km/h. Mit dem Velo kommt man sich ganz komisch vor und traut gar nicht so richtig in die Pedale zu treten, schliesslich will man nicht als Rowdy auffallen.
Zum Z’Nacht gibt es heute einheimischen Fisch, der etwas gummig ist, aber wir freuen uns an jeder Abwechslung. Nachher gehen wir noch schnell in die Stadt und essen in einem italienischen Restaurant ein Coupe au Chocolat. Gar nicht so schlecht! Am Sonntagabend haben hier die Läden z.T. noch offen so dass ich mir für morgen noch ein Joghurt kaufe. Darauf freue ich mich jetzt besonders.
In Uruguay haben die Läden so ihre Besonderheit. Zum Beispiel gibt es Läden, wo man einfach alles Kaufen kann: Velos, Fernseher, Mixer, Gemüse und Versicherungen. Das mutet etwas sonderbar an. In allen Läden hat es am Eingang Schliessfächer, was besonders praktisch ist. Und in jedem Laden hat es Toiletten, was wir alle besonders schätzen, wobei ich anmerken muss, dass meine Verdauung bisher ok war (liegt vielleicht an der regelmässigen Schokolade).

Sonntag, 23. August 2009

SA, Tag 028: Salto-Paysandu


22. August 2009, Paysandu - Uruguay, km 02’716

Heute Nacht war es wirklich sehr kalt (eigentlich habe ich heute bei dieser Kälte Bodenfrost erwartet, aber offenbar war es doch ein paar Grad über Null). Insbesondere am Morgen beim Frühstück haben wir uns den A…. abgefroren. Ich muss feststellen, dass ich für diejenigen Tage, die sehr kalt anfangen und sehr heiss aufhören, nur sehr schlecht ausgerüstet bin. Für ganz kalte Tage und ganz warme Tage bin ich gerüstet, nicht aber für grössere Temperaturschwankungen. Ich muss mir in Buenos Aires noch ein paar Armlinge und Beinlinge kaufen. Vor wenigen Tagen habe ich mir bereits eine warme Jacke gekauft (nicht mal zu Hause habe ich eine so warme Jacke) , denn am Abend kann es bereits sehr kalt werden. Also habe ich meine Abfahrt sehr verzögert und bin erst um 9.00h abgefahren. Dann waren die Temperaturen doch schon ganz angenehm. Kurz darauf habe ich Henry, den Chef der Unternehmung „Tourdafrique“ eingeholt und bin ca. 30 km gemütlich mit ihm mitgefahren. Dabei haben wir ein echt gutes Gespräch geführt (Mein Englisch wird nämlich immer besser und mittlerweile verstehe ich sogar Henry. Die letzte Englischbastion, Natascha - einer hysterischen Südafrikanerin, welche schneller redet als ich zuhören kann und immer noch nicht gemerkt hat, dass ich sie nicht verstehe - werde ich wohn niemals knacken). Den Rest der Fahrt bin ich dann solo gefahren und kurz vor Paysandu, der drittgrössten Stadt Uruguays, auf Gerhard und Lorry gestossen. Wir sind dann zusammen durch die Stadt, welche sehr italienisch geprägt ist, durchgefahren und unterwegs haben wir noch Pommesfrites, Spiegeleier und Kuchen gegessen. War echt gut. Sonst ist heute nicht viel aufregendes passiert. Es ist Samstag Nacht und in der Stadt ist viel Lärm und Hektik. Ich aber liege in meinem warmen Schlafsack und bereite mich auf eine weitere kalte Nacht vor.

Samstag, 22. August 2009

SA, Tag 027: Morojetta-Salto


21. August 2009, Salto - Uruguay, km 02’599

Heute soll es wieder ein ganz normaler Tag werden. Zwar war die Nacht sehr kalt (und wenn ich das sage, dann ist es wirklich kalt), aber schnell wärmt uns die Sonne am Morgen wieder auf. Es ist kaum zu glauben, wie schnell hier das Wetter wechseln kann. Irgendwie hat man das Gefühl, dass wir über Nacht 1000km weit geflogen sind. Gestern war es noch so kalt und windig, heute ist es so richtig warm und windstill!
Wir verlassen heute vorübergehend Argentinien und fahren nach Uruguay. Wer gemeint hat, dass es „a piece of Cake“ wird, der hat sich gewaltig geirrt, denn eine individuelle Überfahrt mit dem Bike ist unmöglich. Wir müssen alle die Velos in den Track verladen und alle gemeinsam mit dem Truck durch den Zoll, es gibt keine andere Möglichkeit. Da der Zoll ca. 16 km vor dem heutigen Ziel ist, muss ich stundenlang auf den letzten warten, um gemeinsam über den Zoll zu fahren. Aber irgendwie kommen wir doch rüber und fahren die letzten km auf dem Bike bis zum Camp. Dort gibt es ein Thermalbad, so schön warm und gemütlich. Das haben wir uns verdient.
Hier in Uruguay sind die Leute sehr freundlich. Überhaupt hat man das Gefühl, dass hier alles viel Gemütlicher zu- und hergeht. Ähnlich wie in Cuba fahren da zT uralte, aber gut erhaltene Autos rum, richtig schön anzusehen.
Auf dem Camping nimmt uns heute die Familie von Alphonso, unserem Truck-Fahrer, in Empfang. Seine Mutter, die wie 35 aussieht, küsst uns alle und überhaupt sind sie hier alle sehr herzlich. Zum Z’Nacht macht uns der Cousin ein Barbeque à la Uruguay. Wie immer sehr fleischlastig, aber das Fleisch, insbesondere die hausgemachten Würste, sind ausgezeichnet.

Freitag, 21. August 2009

SA, Tag 026: Mercedes-Morojetta


20. August 2009, Morojetta- Argentinien, km 02’482

Was für ein Tag! Ich weiss, ich wiederhole mich, aber heute war wieder ein ganz spezieller Tag. 176 km im strengen Gegenwind, ohne Unterbruch. Einmal mehr ein ganz flache Landschaft ohne Hindernisse für den Wind, wieder kerzengerade Strassen. Bereits am Rider-Meeting (da werden wir über die bevorstehende Strecke informiert, also Streckenführung, besondere Sehenswürdigkeiten oder Gefahren etc.) wurden wir gewarnt: Gegenwind! Dirk und ich beschliessen, dass wir zusammen fahren wollen und wenn möglich nur wir zwei. Aber als wir die Stadt verlassen, warten unsere zwei jungen Engländer bereits auf uns (üblicherweise sind sie immer die letzten, aber heute haben sie sich offenbar vorgenommen, mit Dirk und mir zusammenzufahren). Etwas widerwillig nehmen wir sie mit und fahren im Windschatten. Nicht ganz einfach, und es dauert ein Weilchen, bis wir aufeinander abgestimmt sind. Jeder führt 5 Minuten, dann lässt er sich auf der linken Seite auf die letzte Position zurückfallen. Da wie vier sind, muss jeder 5 Min alle 15 Minuten führen. Der hinterste hat noch eine spezielle Aufgabe: er schaut zurück und warnt die anderen, wenn ein Auto oder ein Lastwagen uns überholen will (und einmal mehr wundern sich die Einheimischen, warum wir behelmt auf einem Fahrrad sitzend ständig „Car“ oder „Truck“ rufen). Wenn sich von hinten ein Fahtzeug nähert, fahren wir alle ganz rechts auf der Strasse. Ansonsten richtet sich die Formation nach dem Wind. Kommt er von vorne, fahren wir alle schön hintereinander, kommt er eher von vorne rechts oder links, fahren wir zueinander versetzt und benutzen die gesamte Fahrbahnbreite. Der Wind ist derart stark, dass wir trotz Windschatten selten 20 km/h erreichen. Meist fahren wir mit 18 oder 19 km/h. Für die 176 km benötigen wir 8 ½ Stunden (Pausen nicht mitgerechnet)!!! Recht spät erreichen wir das Hotel und geniessen die Dusche (auch wenn sie recht primitiv ist). Die letzten erreichen das Hotel erst kurz vor der absoluten Dunkelheit. Insgesamt erreichen heute 9 Fahrer das Hotel auf dem Velo, alle erschöpft und stolz auf ihre Leistung (aber auch unterkühlt, denn wir haben den ganzen Tag nicht mehr als 10° gehabt). Das war wirklich nicht ohne. Für mich, der eigentlich nie im Wind fährt (wann haben wir in der Schweiz schon richtigen Wind) eine neue Erfahrung.

Donnerstag, 20. August 2009

SA, Tag 025: Ruhetag in Mercedes


19. August 2009, Mercedes - Argentinien, km 02’306

Ruhetag. Ich nutze den Tag und kümmere mich um das Backup all meiner Fotos. Nachmittags gehe ich in die Stadt und kaufe mir, völlig unvernünftig, eine Mütze aus Murmeltier-Leder. Samtweich und wirklich hübsch. Aus demselben Leder gibt es auch Schuhe, samtweich und hübsch. Das würde meiner Barbara gefallen!!! Ansonsten ist hier nicht viel los. Alle wechseln ihre Velopneus, weil es ab hier wieder Teerstrassen geben soll (ich fahre alles mit denselben Pneus, nämlich Schwalbe Marathon, unflatable! Und trotz der Breitre lasse ich dank den 5 Bar in den Abfahrten alle stehen). Ein bisschen putzen, ein bisschen ölen, das muss reichen. Lieber verbringe ich einen ruhigen Tag und esse zum Znacht eine Pizza und trinke ein grosses Cola in einer gemütlichen Beiz voller Argentinier und einer netten Servierdüse. Schliesslich ist heute Mittwoch, meinem traditionellen Bike- und Altane-Tag.

Mittwoch, 19. August 2009

SA, Tag 024: Virasoro-Mercedes


18. August 2009, Mercedes - Argentinien, km 02’306

Gute Beobachter werden festgestellt haben, dass wir heute sehr weit gefahren sind … aber mit dem Truck. Alle zusammen mit den Fahrrädern im Truck, gemütlich! Warum sind wir heute nicht mit dem Velo gefahren? Das hat verschiedene Gründe. Einer ist sicher, dass es gestern für die meisten zu schwer war. Ich glaube, dass wir nur 4 oder 5 waren, welche die ganze Strecke mit dem Bike gefahren sind. Alle anderen sind stecken geblieben resp. haben die Energie nicht aufgebracht, um die Hindernisse zu überwinden. Und heute hätte es gleich weitergehen sollen, schon wieder Lehmstrassen. Zudem hätten uns die Begleitfahrzeuge nicht richtig assistieren können, da sie auf festen Strassen fahren müssen. Wir wären also stecken geblieben und die Fahrzeuge wären weit weit weg gewesen. Eine dumme Situation.
Wir fahren also mit dem Truck. Die Landschaft ist total flach. Keine Berge, kein Hügel, nicht die kleinste Erhebung, alles flach. Dementsprechend ist die Strasse kerzengerade. Im Truck schlaffen wir schnell ein und werden nur durch die Polizeikontrollen geweckt. Die Polizisten sind freundlich, wenn auch etwas überrascht, so viele Velos und Biker im Truck vorzufinden. Aber solches lässt sie kalt und sie lassen uns weiterfahren. Unterwegs besuchen wir noch Yapeyu, unter anderem Geburtsstätte von General San Martin (in der ganzen Region heisst alles San Martin), welcher als Befreier Argentiniens gegen die Spanier gilt (sozusagen der Wilhelm Tell Argentiniens). Alles sehr kitschig und auf Tourismus ausgelegt, aber meinen amerikanischen und kanadischen Freunden gefällt es. Nach einer weiteren langen Fahrt landen wir in Mercedes, einer sehr schönen Stadt, die richtiggehend zum bummeln einläst. Schade nur, dass die Läden hier nur abends öffnen.

Dienstag, 18. August 2009

SA, Tag 023: Itacaruare-Virasoro


17. August 2009, Virasoro - Argentinien, km 02’306

War das ein Tag!!! Die ganze Nacht hat es durchgeregnet, und zwar richtige Gewitterschauer. Zum Glück habe ich kurz nach dem Nachtessen mein Zelt unter ein Dach gezügelt, so dass ich die ganze Nacht im Trockenen lag. Am Morgen dann, ganz easy, habe ich mein trockenes Zelt gepackt und wir sind alle losgefahren. „Dirty tracks“, das soll das heutige Thema sein, Ja danke. Nach wenigen km verlasse ich die geteerte Strasse und fahre auf einer Naturstrasse, aus Lehm. Da es die ganze Nacht geregnet hat, ist der Lehm „arschglatt“ und klebrig „wie die Sau“. Sofort bleibt eine Schicht Lehm auf meinen Reifen kleben. Die Haftung besteht somit nicht aus Adhäsion zwischen Gummi und Lehm, sondern aus Kohäsion zwischen nassem Lehm und nassem Lehm. Die bedeutet, dass man auf seinem Velo keinen Halt hat. Die kleinste Gewichtsverlagerung, die kleinste Bewegung am Lenker, und eines der Räder schmiert dir davon. Schlimmer als auf dem Glatteis (aber gänzlich ungefährlich, da der Lehm sehr weich ist und ich alleine auf der Strasse bin). Man kann sich das gar nicht vorstellen. Und dann lösen sich immer wieder Lehmschollen von den Pneus, so dass man in einer Schollenwolke fährt. Überall fliegt roter Lehm rum, vorne, hinten, rechts, links und oben. So richtig surrealistisch. Um mich zu schützen, ziehe ich meine … Schutzbrillen an. Ja doch, sogar ich ziehe so was an, wenn es wirklich Sinn macht. „Loam in my eyes“, oder eben nicht. Interessant ist, dass man, wie auf dem Glatteis, nie bremsen darf. Hat man eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht, so halten einem die Kreiselkräfte der Räder aufrecht, aber nur solange diese drehen. Bringt man sie durchs bremsen zum Stillstand, ist’s vorbei mit den Kreiselkräften. Der Sturz ist dann unausweichlich. Braucht aber Mut, nicht in die Bremsen zu steigen, und man muss wirklich daran glauben, sonst funktioniert es nicht. Also ich glaube daran, und es funktioniert. Nach dieser Lehm-Passage gibt’s Lunch. Wie immer selbstgemachte Sandwiches. Da es in der Zwischenzeit in Strömen regnet, mache ich nicht lange und fahre bald weiter. Und was jetzt kommt, stellt den ganzen Morgen in den Schatten. Wieder eine Lehmstrasse, aber diesmal klebrig wie 1 Mio. Säue. Unglaublich. Nach nur wenig Metern blockiert mein Vorderrad. Nur mit Glück kann ich mich auf meinem Velo halten. Mein Vorderpneu hat anstatt der 2.1“ jetzt neu mindesten 5“. Eine Lehmschicht hat sich auf den Pneus festgesetzt, so dass die Räder nicht mehr drehen. Ich versuche, mein Velo zu stossen (für die Deutschen: mein Rad zu schieben), und tatsächlich schiebe ich es nur über den Boden, wie einen Schlitten. Mit einem Stecken befreie ich meine Räder von all dem Dreck und versuche es nochmals. Max 5 Meter, und dann stecke ich wieder fest. Ich versuche diese Prozedur mehrmals, wobei ich mal im weichen, mal im nassen, mal schnell, mal langsam fahre. Es hilft nichts. Jedes mal sind meine Pneus zugeklebt. Also entscheide ich, das Velo zu tragen. Da ich 2 Trinkflaschen mitführe, kann ich es nicht schultern. Ich muss es auf dem Rücken tragen. Ich bringe mich also in Position und … unmöglich, mein Velo zu tragen. Es wiegt mindestens 100kg, mit all dem Dreck ! Also Veloputzen! Ich versuche mit meinem Stecken, den Dreck vom Velo zu lösen, aber das geht wirklich nur sehr schwer, so dass ich sicher 15 min damit beschäftigt bin. Und dann versuche ich es nochmals. Ja, diesmal wiegt es nur noch … 40 kg. Also los, ich laufe (für die deutschen ich gehe) los mit meinem Velo quer auf dem Rücken. Für die Einheimischen sind wir schon verrückt, wenn wir mit einem Velo so weit unterwegs sind. Mit unserem Helm auf dem Kopf sind wir bereits oberverrückt. Wenn es dann noch dazu regnet, dann sind wir extraoberverrückte. Aber was bin ich wohl, wenn ich bei Regen behelmt mein Velo auf dem Rücken trage? Dafür gibt es in der spanischen Sprache noch keinen Begriff. Den müssen sie erst noch erfinden. Ich trage also mein Velo vielleicht 1 km, in meinen schweren Bike-Schuhen, die ich heute morgen in weiser Voraussicht gegen meine dünnen Rennschuhe ausgetauscht habe. Wie immer ohne Socken. Nur sind dieses Schuhe nicht zum wandern gedacht, sondern fürs biken. Somit hole ich mir gleich ein paar Blasen. Toll, als wären aufgeweichte Füsse nicht genug. Nach besagtem km stelle ich mein Bike wieder ab und versuche es nochmals. Ja, es scheint zu gehen, nur sind die Schuhe voller Lehm, ich kann sie nicht in die Pedale einklicken. Also klopfe ich sie an den Kurbeln ab, fahre gleichzeitig vorsichtig zwischen den Schlaglöchern durch und freue mich über jeden Meter, den ich das Bike nicht tragen muss. So langsam komme ich in fahrt, die Füsse sind jetzt an die Pedale fixiert. Durch die wenigen Autos hat sich eine Spur gebildet, in der sich das Wasser sammelt. Darin fahre ich, denn dort ist es am wenigsten klebrig. Dafür spült es mir die Kette aus, so dass es immer schwerer wird, die Gänge zu wechseln. Dabei wäre das so wichtig, denn der Boden ist so glatt, das man noch mit 20 km/h das Hinterrad zum durchrutschen bringt, wenn man etwas in die Pedale tritt. Und so geht es langsam vorwärts. Nur noch 12 km, dann 10, 8, 6, ab 4 km erachte ich mich als gerettet, denn ich würde notfalls das Velo die restlichen 4 km tragen, wenn es wirklich sein müsste. Der Tag scheint also gerettet. Aber was ist das? Auf meinem km-Zähler? Ich dachte, ich wäre bei 95km, aber tatsächlich sind es erst 85 (vor lauter Dreck habe ich 8 mit 9 verwechselt). 10km mehr! Es bleiben also 14km. Das Ganze also nochmals, 14, dann 12, 10, 8, 6, 4 (=gerettet, weil ich notfalls das Bike trage), 2, gleich bin ich gerettet, denn auf meinem Bike-Computer fehlt der gelaufene km, endlich treffe ich auf die erlösende Hauptstrasse, diese ist natürlich geteert. Dort nimmt mich Randy gleich in Empfang. Anstatt der verbleibenden 38 km Teerstrasse bis zum Camp in der freien Natur sind es nur 3 km ins Hotel. Aus Erbarmen mit uns schenken sie uns die restliche Strecke und stecken uns ins warme, trockene Hotel. Danke, obschon ich die 38 km ganz gerne gefahren wäre, das lockert die Muskeln, nach einer solchen Fahrt. Aber nach dem kurzen Stück zum Hotel bin ich endgültig überzeugt, dass das Hotel eine gute Idee ist. Der Verkehr auf der Strasse ist viel zu gefährlich. Viele Lastwagen, und kein Pannenstreifen zum ausweichen. Zum Glück gehöre ich zu den ersten, die im Hotel ankommen, so habe ich Zeit, mein zugelehmtes Velo zu putzen. Mit dem Wasserschlauch in der Hand brauche ich gut ½ Stunde, bis es einigermassen sauber ist. Nochmals ½ Stunde für mich und meine Kleider. Alles ist orange, denn merkwürdigerweise ist der Boden rot, das Wasser aber orange. Diese warmen sind sehr schön anzusehen.

Montag, 17. August 2009

SA, Tag 022: 25 de Mayo-Itacaruare


16. August 2009, Itacaruare - Argentinien, km 02’201


Ich bleibe dabei, Argentinien ist das weit attraktivere Land im Vergleich zu Brasilien. Die Leute sind sehr freundlich und winken einem ausnahmslos zu.

Ich habe herausgefunden, dass heute Sonntag ist. Deshalb fährt heute kaum ein Auto auf der Strasse. Lastwagen gibt es überhaupt keine. Dafür sieht man viele Leute, die zur Kirche laufen. Wenn’s weiter ist, gehen sie per Auto zusammengepfercht., unglaublich. Nach der Kirche versammeln sie sich zum Mittagessen. Alle zusammen. Eine richtige Kirchgemeinde, die auch nach dem Gottesdienst zusammen das Leben geniesst und zusammen isst, Fussball spielt und sonst herumhängt. Und das alles in aller Friedlichkeit. Wohnen tun sie in kleinen Gehöften, entweder in kleinen einfachen Holzhäusern, die sie gut pflegen, oder, wenn sie reicher sind, in schmucken Steinhäusern. Das Auto und die Satelittenempfangsantenne fehlt nie.

Und weil heute Sonntag ist, habe ich entschieden, sehr langsam zu fahren. Ich fahre also mit den letzten los und begleite sie ein Stück weit. Aber irgendwie ist es hinten mindestens so anstrengend wie vorne. Das ewige anhalten. Photoschiessen und dergleichen ermüdet sehr. Zudem hat man immer das Gefühl, dass die anderen schon lange angekommen sind, während man selbst noch lange unterwegs ist. Unmöglich. Auch fehlt die Absicherung, wenn man als letzter fährt. Wenn man eine Panne hat oder so, da hilft keiner mehr, ist ja niemand mehrt da. Zur Mittagspause entscheide ich also, dass ich in Zukunft besser fahre, wenn ich vorne mitfahre. So ist das halt.

Die Strecke ist heute einfach. Ziemlich flach. Ausser einer Abfahrt, wo die Strasse beschädigt ist. Randy, der Verantwortliche, ärgert uns damit, dass er das ständig wiederholt. Auch auf dem Whiteboard ist es erwähnt. Schliesslich sagt er es nochmals jedem, der den Lunch verlässt: “be careful at the dh (dh = Downhill)“. Aber trotzdem kriegt es James hin, genau an dieser Stelle umzufallen. Mit 60 Sachen fährt er über die abgesackte Strasse. An den kritischen Stellen ist natürlich ein Absatz, und Boom. Er hat zwar nur Schürfungen (was in der Nacht und in der Hitze unheimlich schmerzen kann), aber im Kopf wird es ihn noch viel mehr schmerzen, da jeder mitbekommen hat, dass James genau an der kritischen Stelle umgefallen ist. Erfahrung ist hier alles. Auch die Erfahrung, die ich mir früher als Motorradfahrer angeeignet habe, kommt mir hier Zugute. Auf jeden Fall bin ich vorsichtig.

Es ist schwer, die Tage voneinander zu halten. Aber heute ist Sonntag, und nach der Fahrt entscheide ich mich, meine Füsse endlich richtig zu waschen (die Zeit ist immer extrem kurz, und so muss man sich jeden Tag etwas kleines vornehmen, denn alles ist einfach nicht möglich, ohne Stress). Da ich im Camp meine Crocs trage (optimal für diese Umstände), hat sich der Dreck so richtig eingebrannt. Natürlich wasche ich mir die Füsse täglich, aber bei dieser eisenhaltigen roten Erde bekommt man die Füsse ohne Sondermassnahme einfach nicht richtig sauber). Die Füsse sind für die Radfahrer enorm wichtig. Die ganze Leistung geht über die Füsse auf die Pedale. Die Fusspflege ist deshalb sehr wichtig. Auch verzichte ich wieder auf Socken. Ohne Socken fährt es sich einfach besser. Erstens spürt man den Wind zwischen den Zehen, wenn man die richtigen Schuhe an hat, und zweitens habe ich die Erfahrung gemacht, dass man schnell Löcher in den Socken hat. Und diese Löcher können einem so richtig die Zehen abbinden, was mit der Zeit (wir fahren ja manchmal über 8 Stunden am Tag) extrem schmerzhaft sein kann. Wie man sieht, ist die Beanspruchung enorm. Nicht nur führ die Fahrer, sondern auch für das Material. So sind zB meine Lieblingshosen schon durchgescheuert.. Zum Glück habe ich noch Ersatz-Lieblingshosen. Auch habe ich gestern erstmals Heringe für mein Zelt verwendet. Grundsätzlich steht es auch ohne Heringe, aber wenn es richtig windet, sind die Heringe ein gutes Mittel gegen fliegend Zelte.

Und dann habe ich noch den heutigen Fotopreis gewonnen. Als Alternative zum Rennen (ich bin schon so weit, dass ich auf die Renntage verzichte). Und prompt gewinne ich den ersten Preis, eine Flasche Bier. Damit ergibt sich folgende Tagesbilanz: 3L Wasser vor dem Lunch, 3 Liter Wasser nach dem Lunch, 2 Liter Bier, ein Kaffee und dann sonst noch diverse Gläser voll Wasser, also total ca 9 Liter an einem Tag! Prost.

Sonntag, 16. August 2009

SA, Tag 021: Eldorado-25 de Mayo




15. August 2009, 25 de May - Argentinien, km 02’079


Heute gebe ich Vollgas, ich will wissen, woran ich mit meiner Ferse bin. Alles ok, ich bin wieder fit. Trotzdem fahre ich schonend und streche jeden Abend, um zu vermeiden, dass sich ähnliches wiederholt. Nach der Mittagspause werde ich aber doch übermütig und will vor allen eine kleine Böschung zur Strasse rauffahren (damit erspare ich mir den Weg zurück zur Strasse). Aber, oh Schreck, es ist nicht wie erwartet eine Böschung aus Erde, wie ich es erwartet hatte, sondern aus grossen Steinen und riesigen Lücken dazwischen. Ich falle um. Mein Kopf lässt es nicht zu und ich versuche es ein zweites und drittes Mal … und zum Gaudi aller anderen falle ich noch zwei mal um. Aber ich hab’s versucht! Alle anderen benutzen den Umweg.

Ich bin fit, denn letzte Nacht habe ich 11 Stunden geschlafen. Dummerweise bin ich nach dem Nachtessen im Zelt eingeschlafen und erst heute Morgen um 6.00h aufgewacht. War eine schöne Nacht.

Das Wetter ist uns gut gestimmt, blauer Himmel, sehr trockene Luft (meine allabendliche Wäsche ist in 2 Stunden trocken). Tagsüber ist es aber sehr heiss, deshalb ist jeder km, den ich am Morgen fahren kann, ein Gewinn. Nachmittags schlägt einem die Sonne auf den Rücken, unglaublich, denn hier ist immer noch Winter.

Und da gibt es noch eine Eigenheit in Argentinien, die ich noch nicht ganz verstanden habe. Obschon die Nationalbank Münzen herausgibt, gibt es in Argentinien keine Münzen, nur Noten. Das Kleingeld wird einem als Bonbons und andere Süssigkeiten ausbezahlt!

Nach dem Nachtessen habe ich mich zum Schreiben an einem grossen Tisch gesetzt. Zur Auflockerung spiele ich auf meinem PC Gotan Project ab. 30 Sekunden später bin ich von 3 Kindern umgeben. Sie wollen alles wissen in Sachen Computer. Ich zeige ihnen meine Bilder aus Brasilien, setzet ihnen meinen Hut auf und mache Fotos von Ihnen und zeige sie ihnen auf dem Computer. Ich lasse sie die Bilder selber wechseln. Sie sind ganz stolz, einen Computer bedienen zu dürfen

Samstag, 15. August 2009

SA, Tag 020: Foz to Iguacu-Eldorado



14. August 2009, Eldorado - Argentinien, km 01’955


Heute verlassen wir Brasilien und überqueren die Grenze zu Argentinien. Das 3. Land der Expedition nach Brasilien und Uruguay. Über Uruguay kann ich nichts sagen, da ich ja nicht mehr als ein paar Schritte dort war (im Wasserkraftwerk). Über Brasilien aber schon. Hier eine kleine Bilanz:

Die Brasilianer sind nicht die überschäumenden, immertanzenden, spontanen und offenen Menschen, wie ich mir das so vorgestellt hatte. Sie sind Fremden gegenüber sehr reserviert. Unser Auftreten ist natürlich auch speziell und für sie absolut unverständlich (bei brühender Hitze oder im Dauerregen Rad fahren, nein danke). Auch sind wir die einzigen, die einen Helm tragen. Niemals würde ein Brasilianer uns zuwinken oder uns gegenüber eine Gemütsregung zeigen. Lieber schauen sie verstohlen weg. Entweder halten sie uns für arrogant und überreich, oder aber wir sind ihnen so fremd und irre, dass sie lieber wegschauen. Wir scheuen schliesslich auch weg, wenn uns ein Irrer in der Stadt entgegenkommt (nur nicht auffallen!). Winkt man ihnen hingegen als erster zu, so können sie schon herzhaft zurückwinken, vor allem die Kinder. Was mich immer wieder erstaunt ist, dass sie ganz einfach leben, viele in primitiven Häusern, die von Unrat umgeben sind. Ofdfenbar störst sie das nicht. Und dann laufen sie mit den tollsten klamottem umher, weisse, Hosen, helle Pullover, saubere Schuhe etc., immer makellos! Auf der Strasse sind sie Radfahren gegenüber sehr rücksichtslos. Grundsätzlich gibt es nur sehr wenige Brasilianer, die eine andere Sprache sprechen als Portugiesisch. Die Kommunikation mit ihnen ist sehr schwer. Auch hat man oft den Eindruck, als würden sie sich nur sehr wenig dafür interessieren, was um sie herum passiert. So kann man z.B. in der Stadt nach einem Internet-Kaffee fragen, und sie haben keine Ahnung, schütteln den Kopf und verweisen an den nächsten. Da hilft nur Unhöflichkeit und weiterlaufen, sonst ist man im Nu in eine Diskussion mit allen Kindern, Nachbarn, Passanten etc verwickelt, obschon ja keiner weiss, wo sich das Gesuchte befindet. Also geht man weiter und trifft keine 50m weiter auf ein … Internet-Kaffee. Ist das nicht sonderbar? Auch diese Diskussionen sind typisch für die Brasilianer. Sie wollen unbedingt helfen, ziehen alle Register und verstricken einem sofort in endlose Diskussionen. Unser zeitoptimiertes, ziel- und resultateorientiertes Verhalten kennen die da nicht, die Glücklichen!

Heute morgen habe ich also Brasilien verlassen. Zur Sicherheit bleiben Dirk und ich zusammen, wer weiss, was am Zoll alles passieren kann? Zuerst müssen wir durch den brasilianischen Zoll. Für alles gibt es eine Spur: Lastwagen, Busse, Autos, Motorräder, Fussgänger. Wohin fährt man aber mit dem Velo? Etwas fraglos fahren wir im Zoll ein. Nachdem wir ein bisschen rumstehen, kommt ein Zöllner zu mir, ruft einen Kollegen herbei und fordert mich auf, mit ihm mitzugehen. Hat er in mich einen interpoolgesuchten Terroristen erkannt, vermutet er Drogenschmuggel wegen meiner langen Haare? Viele Szenarien gehen mir durch den Kopf. Zum Glück schliesst sich Dirk uns an, so bin ich doch nicht ganz alleine. Wir landen an einem Schalter, und der Zöllner gibt mir zu verstehen, dass er mein Leibchen erkannt hat: „Juve“, Juventus Turin. Der zählt mir alle Brasilianer auf, die in Italien Fussball spielen, er ist begeistert und ich erleichtert. Die Abfertigung ist in wenigen Sekunden erledigt, ich und Dirk können Brasilien verlassen, wir haben den befreienden Stempel im Pass.

Nun sind wir im Niemandsland und müssen in Argentinien reingelassen werden. Kopfnicken, Stempel, wir sind drüben. War ja ganz einfach. Noch schnell Geld wechseln (dazu braucht es in Argentinien einen Pass, obschon ich nur ein paar 100 Dollar wechsle). Ein Riesending, für ein paar Dollars! Na ja, wir sind ja nur Gäste und lassen die Prozedur über uns ergehen. So, jetzt kann es weitergehen. Vorher noch schnell ein Pee-Brake (so nenne wir hier die Pisspausen) und dann weiter. Aber wo ist hier das WC? Natürlich auf der anderen Seite des Zolls. Wir latschen also alle nochmals an allen argentinischen Zöllnern vorbei zurück, erledigen unser Geschäft und watscheln wieder zurück an allen Zöllnern vorbei, kein Problem! So geht das hier.

Der Unterschied zu Brasilien ist gross. In Argentinien spricht man spanisch, in Brasilien portugiesisch. Das ist wohl der grösste Unterschied, der sich auch kulturell niederschlägt. Auch die vielen Kirchen hier sind viel nüchterner gebaut, immer mit einer Mehrzweckhalle und einem Fussballfeld in der Nähe. Die Leute hier sind viel freundlicher, alle winken uns zu oder hupen. Eine andere Welt. Auch die Strassen, perfekt, obschon hier unheimlich alte Autos herumfahren. Die Strassen haben breite Seitenstreifen für uns, ohne Gefahren kommt man da voran. Dafür gibt es hier immer wieder Polizeikontrollen auf der Strasse. Einmal hat mich ein Polizist angehalten und mich auf Spanisch angesprochen. Ich antworte ihm respektvoll in englisch, dass ich seine Sprache nicht verstehe. Sofort winkt er mich weiter. Er wollte nur mit mir quatschen.

Freitag, 14. August 2009

SA, Tag 019: Wasserkraftwerk in Itaipu


13. August 2009, Foz to Iguacu - Brasilien, km 01’832

Heute besuche ich zusammen mit Dave, einem ruhigen Kanadier, das Kraftwerk von Itaipu, das grösste Wasserkraftwerk der Welt, 14'000 MW. Das ist so aus der Erinnerung heraus 14 mal das Kraftwerk Gösgen! Das sind andere Leistungen als die Uhrenwerke von Ronda. Im Gegensatz zu einem Werk wie der Grande Dixance ist dieses Werk sehr breit aber nicht sehr hoch. Die Maschinenhalle hat bescheidene 1000m Länge! Sonst ist alles ziemlich klassisch. Das Werk steht genau auf der Grenze zu Brasilien und Paraguay. Ich war heute somit in Paraguay. Am Kraftwerk haben 100'000 Menschen mitgearbeitet, man muss sich dies mal vorstellen. Und heute noch arbeiten 3'000 Menschen in diesem Werk, 1500 aus Paraguay, 1500 aus Brasilien. Überhaupt wird alles streng zwischen Brasilien und Paraguay geteilt. Immerhin deckt Paraguay mehr als 80% ihrer elektrischen Energie mit diesem Kraftwerk. Einfach gigantische Dimensionen! Von den ökologischen Konsequenzen spricht hier niemand.

Donnerstag, 13. August 2009

SA, Tag 018: Wasserfälle von Iguacu


12. August 2009, Foz to Iguacu - Brasilien, km 01’832

Heute besuchen wir die Wasserfälle von Iguacu, eine der grössten der Welt. Sie liegen zwischen Brasilien und Argentinien. Wir gehen auf eigene Faust, weil die Organisation einmal mehr katastrophal ist. Aber wir sind in Südamerika und behelfen uns selbst. Wir fahren also mit dem Bus hin und machen als erstes mal eine Bootsfahrt. Ich, in T-Shirt und schwarzen Jeans, werde langsam nachdenklich, den der Führer, der uns auf dem Boot begleitet, legt seine wasserdichte Kleidung an, Schicht um Schicht. Und in der Tat fahren wir unter den Wasserfällen durch und sind bis auf die Knochen nass. Weil es aber so lustig ist, lachen und schreien wir alle, was den Fahrer dazu anleitet, immer wieder unten durch zu fahren. Klatschnass fahren wir zum Steg zurück. Zum Glück ist es warm und trocken, so dass meine Kleider nach wenigen Minuten wieder einigermassen trocken sind, zumindest so trocken sind, dass wir ins nahegelegene Restaurant gehen können. Mittagessen vom Buffet. Wenn die wüssten, was heisshungrige Velofahrer alles essen können, würden sie die Preise vervielfachen. Wir beigen also unsere Teller voll und essen Unmengen. Zum Schluss noch „ein bisschen“ Kuchen, die wir zusammen mit 30'000 Bienen teilen. Zurück gehen wir noch ein Stück zu Fuss und haben freie Sicht auf die Wasserfälle, schliesslich gelangen wir mit dem Bus zurück zum Zeltplatz, wo uns das Fernsehen erwartet. Sie sind auf unser Vorhaben aufmerksam geworden und machen einen Bericht über unsere Reise. Henry, der Besitzer der Organisation (und Mitfahrer) benutzt die Gelegenheit und wettert über die Bus- und Truck-Fahrer. Ob’s helfen wird?

Mittwoch, 12. August 2009

SA, Tag 017: Santa Maria-Foz to Iguacu


11. August 2009, Foz to Iguacu - Brasilien, km 01’832

Heute schliessen wir unsere erste Sektion mit bald 2000km ab. Ich sitze mal wieder im Truck und schone meine linke Ferse. Dadurch gehöre ich zu den ersten, die das heutige Lager beziehen. Einmal mehr ein wunderschön gelegener Zeltplatz mit Swimmingpool, Bungalows usw. Wir gehen in die Stadt, die wie erwartet aufgeräumt und sauber ist. Auch hier gibt es Hochhäuser, die einfach schön anzusehen sind. Bravo an die vielen brasilianischen Architekten, die haben hier wirklich etwas drauf.
Ich kann endlich Geld wechseln. Mit etwas Geld im Sack fühlt man sich einfach besser, auch in Südamerika. Aber das währt nicht lange. Ich mache noch ein paar Einkäufe: Babypuder (für Langstreckenfahrer unabdingbar, denn die paar cm2 wollen trocken gehalten werden), Wäscheklammern, Seife und Shampoo (die ich unterwegs vergessen/verloren haben muss) und ein Ladegerät für 80 US$ (riesig, teuer aber notwendig, da das Original kaputt ist). Wegen dem Ladegerät bin ich beruhigt, denn mein Problem ist gelöst, ich kann meinen Computer wieder gebrauchen und frisch drauflos schreiben und vor dem einschlafen Musik hören. Später treffe ich beim Wäschewaschen noch einen Franzosen aus St. Louis. Wie klein doch die Welt ist.

Dienstag, 11. August 2009

SA, Tag 016: Dois Vizinhos-Santa Maria


10. August 2009, Santa Maria - Brasilien, km 01’689

Juhui, meine Achillessehnen sind wieder gesund. Heute fahre ich die gesamte Strecke. Der Morgen fängt ja schon gut an, 8°C! Ich spiele nicht mehr den Helden und packe mich warm an: ¾ Hose bis über die Waden, langärmliges Shirt, Regenjacke, lange Handschuhe usw. Natürlich bin ich sofort klatschnass und bald friere ich mir den S… ab. Die Strecke besteht aus unzähligen „ups and downs“ und viele Ups gehe ich zu Fuss, um mir die Füsse zu wärmen. Die Kälte tut meinen Füssen nicht gut, und bald spüre ich meine linke Ferse wieder. Dabei fahre ich so schonend wie möglich, aber in Santa Maria angekommen, ist sie wieder dahin. Ich muss diese Ferse so schnell wie möglich ausheilen, sonst ist meine Weltreise bald fertig. D.h. weiter mit den entzündungshemmenden Pillen und ruhen. Zu dumm, dass ich ausgezeichnet heute auf die Strasse zurück bin, denn heute war der schwerste Tag seit Anbeginn der Tour.
Heute liegt sogar eine riesige Kuh auf der Strasse, von einem Lastwagen angefahren. Wie immer stehen ein paar Bauern rum und diskutieren wie das wohl geschehen konnte, was man unternehmen könnte, welchem Freund das auch schon passiert ist usw. Es fällt keinem ein, dem verzweifelten Besitzer beim „entsorgen“ zu helfen.
Überhaupt sieht man immer mehr Kühe. Bei meinem Anblick springen viele davon. Einzelne sind neugierig und kommen auf mich zu. Sie sind sich Biker im Juventus-Dress wohl nicht gewohnt. Ebenso die Hunde. Meist ziehen sie den Schwanz ein und bringen sich in Sicherheit, wenn ich daherkomme. Das kommt mir sehr zugute, denn damit sind unliebsame Kollisionen zum vornherein ausgeschlossen.
Das Nachtessen gibt es heute ausnahmsweise in einem Restaurant. Der Truck-Fahrer (ansonsten ein sehr freundlicher, zuvorkommender und hilfsbereiter Südamerikaner) ist ohne Absicht während einer seiner Manöver über unsere speziell angefertigten Kochkessel gefahren und hat sie zu unbrauchbaren Gebilden verformt. Für unseren Koch ist schon früh Feierabend.
Für meinen PC bin ich etwas besorgt, denn ich kann aus irgendeinem Grund die Batterie nicht mehr aufladen. Hoffentlich nicht schlimmes.

Montag, 10. August 2009

SA, Tag 015: Cadoi - Dois Vizinhos




9. August 2009, Dois Vizinhos - Brasilien, km 01’545

Heute bin ich wieder mal auf meinem Bike gesessen. Bis zum Mittagessen bin ich im Truck mitgefahren (das war ca. 9.00h, weil der Truck natürlich viel schneller ist als die Biker). Danach habe ich wieder selbst die Strasse in Angriff genommen. Alles kein Problem, die Achillessehnen haben gehalten. Keine Schmerzen mehr, ich bin erleichtert! Und ich bin langsam gefahren, sehr langsam, so langsam wie ich es kann. Und Pausen habe ich gemacht, unterwegs, unzählige. Und gedehnt habe ich, vor der Fahrt und nach der Fahrt. Ich gehe keine Risiken mehr ein!
Heute ist Sonntag, und wir haben fast keinen Verkehr. Die Lastwagen fehlen auch. Zudem fahren wir auf einer kleinen Landstrasse. Fast schon langweilig. Und wenn es langweilig wird, dann hat man die Tendenz, zu viel auf den Tacho zu schauen, und dann fängt die Rechnerei an: ½ Strecke, 9/16 Strecke, 7/12 Strecke, 5/8 Strecke, ¾ Strecke, usw. Da lernt man Bruchrechnen und kgV und ggT erhalten plötzlich einen Sinn und sind nicht nur abstrakte Rechenübungen. Und wenn es langweilig wird, dann freut man sich auf jede Kreuzung, bereits 20km vorher. Und schon wieder beginnt die Rechnerei: noch 20km, noch 12km, noch 7km etc. Das Rechnen ist eine gute Übung, bei der man schnell merkt, wie fit man ist. Gegen Ende des Tages fallen einem die Berechnungen immer schwerer. Dies ist ein Zeichen der Übermüdung. Dann ist vor allem in den Städten Vorsicht geboten, weil die gebührende Konzentration einfach fehlt. Bummeln oder sogar eine kleine Pause sind dann angesagt.
Dass die Fauna in Brasilien anders ist als in der Schweiz ist ja klar. Auch was die Tiere angeht, entdecke ich hier viel neues. Natürlich nicht in der freien Wildnis, sondern am Strassenrand. Tote Tiere, die von Autos und Lastwagen totgefahren wurden. Gürteltiere und komische Katzen. Vielleicht findet Heiri (er liesst mit, das weiss ich) heraus, was das für Tiere sind und gibt das mittels Kommentar bekannt. Und dann gibt es hier Frösche und Kröten, welche die tollsten Töne abgeben. Unglaublich! Ich habe schon versucht, diese Tiere zu fotografieren. Kannst du gleich vergessen. Zwar quaken sie, und man kann trotz Stirnlampe ganz nahe an sie herangehen (dh bis auf ca 20-15cm), aber man sieht sie einfach nicht. Entweder sind sie im Boden versteckt oder aber derart gut getarnt, dass man sie einfach nicht sehen kann.
In Dois Vizinhos beziehe ich mein Zimmer, das ich wie immer mit Dirk teile und mache einen Spaziergang im Dorf. Alles zu! Alles tot, kein Mensch unterwegs. Es ist Sonntag, und es beginnt wieder an zu regnen, bei 13°! Sehr wahrscheinlich sitzen die Einheimischen zu Hause vor dem Kaminfeuer, trinken Glühwein und spielen Monopoly oder sehen sich das Sportpanorama an.

Sonntag, 9. August 2009

SA, Tag 014: Pond Camp-Cadoi


8. August 2009, Cadoi - Brasilien, km 01’403

Schon wieder hocke ich im Truck und fahre bequem an den Bikern vorbei. Dabei hupt der Truck-Fahrer bei jedem zwei Mal, was mit einem Handzeichen der Bikers quittiert wird, was so viel heisst wie: ich bin ok, habe keine Probleme und fahre weiter. Andernfalls hält der Truck an und leistet so weit wie möglich Hilfe. Im Extremfall wird das Velo aufgeladen und der Fahrer bezieht seinen bequemen Sitzplatz für den Rest des Tages (bisher noch nie geschehen).
Die Landschaft ist geprägt vom Landwirtschaft. Zwischendurch sieht man Kühe, etwas abgemagert, im Vergleich zu unseren Milchkühen in der Schweiz. Die Felder sind riesig und ab und zu findet man gigantische Silos, welche die Frucht aufnehmen sollen. Alles in riesigen Dimensionen.
Früh kommen wir im Hotel an und an der Reception entwickelt sich eine langwierige Diskussion . Die Zimmer wurden falsch gebucht und darunter sind zu viele Doppelbetten. Zum Glück sind die Kanadier ebenso prüde wie die Amerikaner, so dass Einzelbetten her müssen. Wie immer hier wird nicht nach einer schnellstmöglichen Lösung gesucht, sondern zuerst werden die sozialen Beziehungen vorgezogen. Einmal mehr endloses hin und her. Und wenn man kurz vor dem Ziel steht, fängt man halt neu von vorne an. Zum ersten mal treffe ich hier in Brasilien das Master/Slave-Muster an. Die Hotelbesitzerin ist die Herrin (dominant und selbstsicher, toleriert keine Widerrede, gibt eindeutig den Ton an), die Receptionistin hingegen kuscht sofort beim ersten Anzeichen der Besitzerin. Es wundert nicht, dass wir in einer Gegend sind, die von ehemaligen Emigranten aus Deutschland, Italien Polen und der Schweiz sind!
Für die Bikefahrer war es ein sehr schwerer Tag, alle sind todmüde. Zur Belohnung gibt es Barbeque. Alle sind gierig nach Barbeque. Das Fleisch ist riesig und passt nicht in meinen Teller. Alle knabbern überglücklich an ihrem Knochen.

Samstag, 8. August 2009

SA, Tag 013: Waterfall-Pond Camp


7. August 2009, Pond-Camp - Brasilien, km 01’257

So langsam realisiere ich, was für ein Idiot ich bisher war. Ich nehme mir vor, in Zukunft das Fahren etwas leichter zu nehmen und etwas mehr von der Landschaft und von den Leuten mitzukriegen. Auch heute büsse ich für meine Übermotivation und fahre mit dem Truck mit. An erstaunlich grünen Landschaften vorbei, die mich sehr an die Vendée in Frankreich erinnern. Irgendwie bin ich immer noch nicht in Südamerika angekommen und wähne mich immer noch an mir bekannten Ländern. Aber das wird sich mit der Zeit bestimmt noch ändern. Ein Grund mehr, die Landschaft etwas mehr zu verinnerlichen.
Der heutige Tag verlief ohne viel Aufregung. Früh am Nachmittag beziehen wir unser Lager in einem sehr gepflegten und wunderschön angelegten Campingplatz, sieht aus wie Finnland (das war das letzte Mal, das ich einen Vergleich ziehe). Inzwischen nehme ich entzündungshemmende Arzneien und hoffe doch sehr, dass meine beiden Achillessehnen bald ausgeheilt sind. Allzugerne möchte ich wieder auf mein Bike steigen und gemütlich mitfahren.

Freitag, 7. August 2009

SA, Tag 012: Curitiba-Waterfall







6. August 2009, Waterfall - Brasilien, km 01’129

Ich habe mich entschieden, ich bin heute nicht mit meinem Bike gefahren. Anstatt dessen bin ich in die naheliegende Stadt, nach Curitiba. Schon mal was von Curitiba gehört? 3 Mil.ionen Einwohner, habe ich mir sagen lassen. Gilt weltweit alt mustergültig, was den Innenstadtverkehr betrifft. Vor Jahren habe ich im Spektrum (= deutschsprachiges Science) einen Bericht darüber gelesen. Alles Einbahnstrassen, alternierend, Linksabbiegen sehr eingeschränkt, viele Bus- und Velospuren, Busbahnhöfe für die Langstreckenbusse mit charakteristischen Wartehäuschen, alle Strassen rechtwinklig. Unglaublich, zwischen 7 und 8 Uhr (Rushhour) habe ich keine Spur gesehen, auf der mehr als 5-6 Autos gewartet haben. Dasselbe zwischen 16 und 19 Uhr (nochmals Rushhour). Alles ist flüssig (und sauber!!! Ich sage nie mehr, dass die Schweiz sauber ist. Wer das sagt, war noch nie in Curitiba). Nach einer kurzen Busfahrt vom Camp ins Zentrum gehen wir alle notwendigen Ersatzteile für unsere Bikes kaufen. Dazu suchen wir den besten Bike-Shop aus und fahren mit dem Taxi hin. Tatsächlich finden wir einen Superlladen vor. Alles perfekt eingereiht, alles da, was man sich nur wünschen kann. Das Personal sehr kompetent. Die Preise extra-exhorbitant. Kein Wunder, denn wer fährt in Brasilien Velo? Antwort: a) die ganz Armen, aber die fahren weiter, auch wenn das Velo kaputt ist, und betreten nie einen solchen Laden b) die ganz reichen, die sich dank der extrem hohen Preise vom Rest der Welt abheben wollen. Ergo: Preispolitik = je teurer desto besser. Die Teile sind schnell herbeigeschafft. Das Personal kennt sich aus, da besteht kein Zweifel. Und es ist auch genug da. Unzählige Verkäufer stehen hier rum, wir sind die einzigen Kunden. Und dann das Bezahlen. Endlos!!! Ich werde mich noch an diese Art gewöhnen müssen. Eine Stunde, um die 7 gut und deutlich angeschriebenen Teile reichen nicht. 90 min tun’s knapp. Mit unseren Teilen fahren wir zum „Museu Oscar Niemeyer“. Unglaublich! Diese Architektur! Ich wünschte mir so, dass Barbara dabei wäre. Wir würden beide diesen Moment so geniessen, das können wir so gut. Auch die Besichtigung der Ausstellungen innen ist berauschend. Die Schweiz ist mit Tinguely gut vertreten. Ich schaue mir das Ganze in Ruhe an und bin völlig hingerissen. Nach diesem Besuch treffen wir uns alle, das heisst all diejenigen, welche nicht am biken sind, also 7 Personen, in der Altstadt. Schnell habe ich ausgemacht, dass Ruth und Henry, den ich bisher nicht besonders gemocht habe, die einzigen sind, die das gesehene richtig einordnen kann. Der Gedankenaustausch mit Ruth ist sehr interessant. Aus dem Gespräch heraus erfahre ich, dass sie Architektur an einer Uni unterrichtet. Dass sie Herzog und Demeron nicht kennt, darüber schaue ich grosszügig hinweg. Anschliessend fahren wir die 79km per Taxi und erreichen das Camp, das wieder sehr schön gelegen ist, gerade richtig zum Nachtessen.
Heute morgen habe ich lange mit mir gerungen, bis ich mich entschieden habe, nicht zu biken. Rückwirkend muss ich sagen, dass es richtig war, seine Limiten zu erkennen. Jeder hat seine Grenzen. Und wenn man so an seine Grenzen geht wie wir es alle tun, dann werden die kleinsten Details wichtig. Schlechtes Essen, unsauberes Wasser, zu wenig getrunken, kein Streching (bei mir der Fall), Zähne nicht regelmässig geputzt, Wäsche nicht sauber, Stuhlgang verpasst etc, und schwup, schon hat es einen erwischt. Das zu erkennen fällt schwer, aber es ist so. Auch bin ich gestern zum ersten Mal nicht als erster eingefahren. Im ersten Augenblick hat es mir weh getan, aber eigentlich war das gut so, denn damit ist der Bann gebrochen, und ich bin frei, so zu fahren wie ich es will, denn eigentlich interessiert das sowieso niemanden. Ich bin auf Reisen, nicht an einem Rennen. Meine Entscheidung von heute morgen war richtig, und der heutige Tag war … spitze!

Donnerstag, 6. August 2009

SA, Tag 011: Pink Hotel-Curitiba


5. August 2009, Curitiba - Brasilien, km 01’050

Die Strasse ist heute dieselbe wie gestern. Extrem viele Lastwagen. Am morgen kommt noch hinzu, dass dicker Nebel sich über die Landschaft gelegt hat. Die Lastwagen brausen in Massen an uns vorbei, manche sind nur knapp schneller als wir. Ich habe aus dem gestrigen Vorfall gelernt und fahre nur noch sehr vorsichtig. Die heutige Fahrt führt über welliges Gelände, ständiges auf und ab. Sehr ermüdend. Und ganz neu, die Sonne scheint. Manche vergessen, sich einzucremen und holen sich einen tollen Sonnenbrand. Ausnahmsweise gehöre ich nicht dazu. Das Ende der Strecke empfinde ich als äusserst mühsam. Einerseits kämpfe ich mit der Hitze, andererseits verpasse ich die letzte Abzweigung und fahre ein paar Extrakilometer. Das wäre ja auch nicht so schlimm, wenn mir meine beiden Achillessehnen nich so schmerzen würden. Das ist wohl eine Folge davon, dass ich so viel im Wiegetritt fahre. Die Beanspruchung ist dadurch um ein Mehrfaches höher. Ich bin mir nicht sicher, ob ich morgen überhaupt weiterfahren kann. Sonst fahre ich im Truck mit, damit wäre ich nicht der erste.
Das Camp ist sehr schön und liegt idyllisch in einem Tal. Durch meine Extrakilometer weiss ich, dass wir umgeben sind von Armenvierteln. Im Moment ist es 2 Uhr morgens und alle Hunde aus der gesamten Umgebung bellen. Das klingt wirklich sehr bedrohlich. Es müssen tausende sein!.

Mittwoch, 5. August 2009

SA, Tag 010: Cananeia-Pink Hotel


4. August 2009, Pink Hotel - Brasilien, km 00’933

Heute ist mein Glückstag! Mit einem weinenden Auge verabschiedet uns das Personal der Unterkunft und wir erreichen schnell die Fähre, die uns zurück aufs Festland zurückbringt. Danach findet das erste eigentliche Rennen über 34 km auf Naturstrassen ohne Verkehr statt. Wir sind nur etwa 10, die daran teilnehmen wollen. Der Start ist echt hart, alle sprinten los und wollen an der Front wegfahren. Zu dumm, dass sie an einer Abzweigung den falschen Weg nehmen. Zwar stimmt ihre Wahl mit der Wegbeschreibung, aber diese ist falsch! Intuitiv merke ich das und nehme den andere Weg, so dass ich plötzlich in Front liege. Kurz darauf schliesst Ben, ein junger Engländer, auf. Obschon ich mehrmals attackiere, gelingt es ihm immer wieder, aufzuschliessen. Ich will unbedingt dieses Rennen gewinnen und spüre, dass meine Attacken mich immer mehr Energie kosten. Ich biete deshalb Ben einen Waffenstillstand an, dafür gehen wir gemeinsam durchs Ziel. Er geht darauf ein und damit gelingt es uns, die Konkurrenz auf Distanz zu halten und gewinnen tatsächlich das erste Rennen gemeinsam mit 8 Minuten Vorsprung. Wie an der Tour de France! Taktik und Navigation gehören halt auch zum Business. Bis zum Lunch sind es nur ein paar km, aber diese führen wieder mal über eine Autobahn. Ich höre ihn schon von weitem kommen, vor mit ist eine enge Brücke ohne Pannenstreifen, ich muss also auf die Fahrbahn. Dank meinem Rückspiegel sehe ich ihn kommen, die linke Spur ist frei, bestimmt wird er darauf ausweichen. Genau über der Brücke überholt er mich. Rechts eine Mauern nur ein paar mm weg, links der Lastwagen, unmittelbar neben mir. Nach der Brücke ist mein Rückspiegel weg. Der Lastwagen hat meine Lenker um max. 2.5 mm verpasst. Heute ist mein Glücktstag!
So richtig realisiere ich die Situation erst stunden später, auf einer lange ansteigenden Strasse. Ich muss meine Wut loswerden und trete so richtig in die Pedale und erreiche das Camp mindestens eine Stunde vor den nächsten. Aber mein Groll ist weg, und mein Rückspiegel, der mir viel Leid erspart hat, auch. Danke Serge.
Das Camp ist heute sehr einfach, ein Feld mit einem Kiosk unmittelbar an der Autobahn. Der Verkehr hier ist immens, alles Lastwagen, kein einziges Auto.

Dienstag, 4. August 2009

SA: FliesInMyEyes

4. August 2009, Pink Hotel - Brasilien, km 00’933

Manch einer wird sich gefragt haben, was das soll mit FliesInMyEyes. Eigentlich ist es ganz einfach. Ich fahre Bike, aber anders als alle anderen Biker fahre ich immer ohne Brille (alle anderen Biker fahren mit so tollen gelben Brillen und sehen wie Wespen aus!). Das hat verschiedene Gründe, aber auch verschiedene Konsequenzen. Insbesondere ist eine Auswirkung davon, dass ich auf den spätabendlichen Abfahrten immer wieder mit Fliegen und dergleichen kollidiere. So ein Ding in den Augen, dass kann ganz schön weh tun: Manche Insekten scheiden dazu irgendetwas aus, wenn sie gestresst sind, und das brennt unheimlich in den Augen. Manchmal kriegt man die Dinger gar nicht so schnell raus, so dass man trotz Dusche und so erst am nächsten Morgen die Insekten aus den blutunterlaufenen Augen rauskriegt. Eben, Fliegen in den Augen.

SA: Alltag



3. August 2009, Cananeia - Brasilien, Ruhetag
Die Tage laufen so ziemlich immer gleich ab. Meist stehen wir so ca. 6:00h auf und waschen uns. 6:30h Frühstück, ich esse immer ein Müssli und das dunkelmöglichste Brot dazu. Gleichzeitig fülle ich meine Wasserflaschen und dann wird fertig gepackt. Ein harter Kampf, bis meine Taschen zu sidn, aber bisher habe ich immer gewonnen. Das Zelt abräumen, das Bike mit Rücklicht und Tachometer vervollständigen. Die Kette nochmals schmieren und das Gepäck auf den Lastwagen. Und dann geht’s los. Meist für ein paar Stunden. Fast immer fahre ich im Mittelfeld los, alleine oder mit Dirk. Wir haben einen vergleichbaren Fahrstil und etwa dieselbe Pace. Auch vertraue ich ihm, das ist besonders bei den Windschattenfahrten wichtig. Etwa in der Mitte der Strecke gibt’s dann den Lunch bestehend aus selbstgemachten Sandwiches. Dabei nehme ich ein Brot, eine Lage Mayonnaise, Käse, eine Scheibe Schinken, eine Lage Senf und dann nochmals eine Scheibe Brot. Danach eine Banane. Meine Pausen sind nur von kurzer Dauer, ich mag nicht rumstehen und frieren. Kurz vor der Abfahrt fülle ich meine Wasserflaschen neu und fahre gleich weiter. Das dauert dann nochmals ein paar Stunden. Am Zielort, meist am herumstehenden Lastwagen erkennbar, angekommen, kommt dann noch viel Arbeit. Wichtig ist, dass man die Disziplin hat, zuerst die Arbeit abzuschliessen, bevor man an das Vergnügen denkt. Also Bike waschen, Zelt aufstellen, Gepäck auspacken, Bike reparieren, duschen, Wäsche machen und zum trocknen aufhängen. Dann gibt es eine warme Suppe, meist Erbsen- oder Linsensuppe. So, und dann kann man so langsam herumhängen und die restlichen Fahrer begrüssen und einweisen. Meist liege ich mich für ein paar Minuten hin und schlafe ein bisschen. Um sechs gibt es Nachtessen, etwas kräftiges, Reis Pasta oder Kartoffeln. Nach dem Essen gibt es noch das Briefing für den nächsten Tag. Ein paar Erklärungen, wo der Weg durchführt und wo unser nächstes Lager liegen wird. Sehr einfach, aber effizient, wenn man sich erst mal daran gewohnt hat: das Ganze wird einem Whiteboart präsentiert, das man dann abschreibt und zur Sicherheit noch fotografiert. Das sind dann die letzten Tätigkeiten, bevor man die Zähne putzt und sich früh ins Bett legt. Da es um 18:00h bereits dunkel ist, sind wir so ca 21:00h schon in den Daunen. Der Schlaf kommt sofort, nach wenigen Sekunden schläft jeder, garantiert.

SA, Tag 009: Ruhetag in Cananeia


3. August 2009, Cananeia - Brasilien, Ruhetag

Ruhetag, das ist gar nicht so einfach, wenn man so überaktiv ist wie wir. Also nichts mit herumhängen und so. Nein, ich organisiere mein Gepäck zum x-ten mal neu, diesmal entscheide ich mich, ein neuen Attribut zu vergeben: „not used object“. Das erweist sich als richtig, denn jetzt passt alles in meine Tasche, die ich täglich packen muss. Der alltägliche Kampf mit dem Reissverschluss ist nun vorbei. Das tut gut. Sonst wird die „trockene“ Wäsche eingesammelt und versorgt. Für morgen sind trockene Schuhe angesagt, ich freue mich. Auch finde ich endlich Zeit, meinen kleinen Rückspiegel, den ich von Serge Wernli (mein Bike-Mech in Lausen) geschenkt bekommen habe, an meinem Lenker zu montieren. Ansonsten nichts neues im Westen. Der Ort ist wunderschön, sollte man sich vormerken für spätere Tage. Ferien in Cananeia! Nur der Strand fehlt.

Montag, 3. August 2009

SA, Tag 008: Ihla Comprida-Cananeia


2. August 2009, Cananeie - Brasilien, km 00’836
Heute habe ich die Sonne gesehen! Mit den 20sec von gestern kommt doch eine erhebliche Sonnenexposition zusammen. Der Sonnenbrand ist nicht mehr weit!
Heute war ein spezieller Tag: 54km Beach-Biking. Bereits beim aufstehen ist mir etwas mulmig zumute. Breite Reifen und ein niedriger Reifendruck sind angesagt, um den Widerstand so klein wie möglich zu halten. Immerhin sollen wir ca. 35 km im weichen Sand fahren. Ich fahre also los und zuerst kommt eine langweilige gerade Strasse, gesäumt von verfallenen Häusern, die im Sommer herrliche Ferienhäuser hergeben, im Winter aber völlig verwahrlost sind. Nach den ersten km kommt der Strand. Da kurz vorher Flut war, ist der Sand hart, und man fährt locker mit einem 20er vor sich hin. Zwischendurch muss man einmündende Flüsse überqueren. Kein Problem, die kleineren werden auf dem Bike durchquert, wobei man nie so recht weiss, wie tief das Wasser ist. Die tieferen Stellen sind etwas schwieriger zu überwinden, man muss das Bike darüber tragen und dabei sicherstellen, dass weder Achsen, Tretlager oder Wechsler ins Wasser tauchen, da sonst beschädigte Lager drohen. Ganz tückisch sind diejenigen „Minidünen“, die quer zur Küste verlaufen. Kaum erkennbar, sind sie unmöglich zu befahren. Total weich und damit ist der Fall garantiert. Macht nichts, der Fall in den Sand stellt keine Gefahr dar. Nach etwa dem ersten Drittel kommt plötzlich Wind auf. Wind, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Meine Geschwindigkeit fällt von lockeren 20 auf hart erkämpften ca. 8 km/h. Der Wiegetritt ist diesmal das falsche Mittel. Wie ein Segel stelle ich mich dem Wind entgegen und meine Geschwindigkeit fällt auf unter 6 km/h. Ich könnte gehen und ich wäre nicht viel langsamer. Wie am Gotthard kämpfe ich mich durch. Und dann kommen mir noch unzählige PET-Flaschen entgegen, die da am Strand herumtreiben. Das gibt ein völlig surrealistisches Bild ab. Als würde man eine schiefe Ebene hinauffahren. Und das am Strand?!?! Ich fange an meine voraussichtliche Fahrtzeit zu berechnen, rechne schon mit dem schlimmsten, spüre meine Kräfte schwinden, als der Wind plötzlich verschwindet. Der Rest ist easy, bis zur Strasse, die die Insel durchquert. Nur ein paar km lang, stellt sie doch ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Kein Belag, sondern aufgeweichter Sand, der einen absaufen lässt. Kaum zu glauben, wie schwer die Fahr auf diesem Belag ist. Der Rest ist easy. Eine Kurze Fahr auf dem Ferry-Boat führt und nach Cananeira, wo wir in einer wunderschönen Anlage unser Lager beziehen. Endlich können wir unsere nasse Wäsche waschen und trocknen. Schuhe, Zelte, Handschuhe, alles wird zum trocknen ausgelegt. Schliesslich haben wir beste Aussichten, dass wir übermorgen trocken weiterfahren. Morgen ist Ruhetag. Die Pause mag zwar nicht verdient sein, und ich verstehe sie eher als Vorschuss auf die nächsten Tage. Das wird hart: 1043km in 8 Tagen!