14. August 2009, Eldorado - Argentinien, km 01’955
Heute verlassen wir Brasilien und überqueren die Grenze zu Argentinien. Das 3. Land der Expedition nach Brasilien und Uruguay. Über Uruguay kann ich nichts sagen, da ich ja nicht mehr als ein paar Schritte dort war (im Wasserkraftwerk). Über Brasilien aber schon. Hier eine kleine Bilanz:
Die Brasilianer sind nicht die überschäumenden, immertanzenden, spontanen und offenen Menschen, wie ich mir das so vorgestellt hatte. Sie sind Fremden gegenüber sehr reserviert. Unser Auftreten ist natürlich auch speziell und für sie absolut unverständlich (bei brühender Hitze oder im Dauerregen Rad fahren, nein danke). Auch sind wir die einzigen, die einen Helm tragen. Niemals würde ein Brasilianer uns zuwinken oder uns gegenüber eine Gemütsregung zeigen. Lieber schauen sie verstohlen weg. Entweder halten sie uns für arrogant und überreich, oder aber wir sind ihnen so fremd und irre, dass sie lieber wegschauen. Wir scheuen schliesslich auch weg, wenn uns ein Irrer in der Stadt entgegenkommt (nur nicht auffallen!). Winkt man ihnen hingegen als erster zu, so können sie schon herzhaft zurückwinken, vor allem die Kinder. Was mich immer wieder erstaunt ist, dass sie ganz einfach leben, viele in primitiven Häusern, die von Unrat umgeben sind. Ofdfenbar störst sie das nicht. Und dann laufen sie mit den tollsten klamottem umher, weisse, Hosen, helle Pullover, saubere Schuhe etc., immer makellos! Auf der Strasse sind sie Radfahren gegenüber sehr rücksichtslos. Grundsätzlich gibt es nur sehr wenige Brasilianer, die eine andere Sprache sprechen als Portugiesisch. Die Kommunikation mit ihnen ist sehr schwer. Auch hat man oft den Eindruck, als würden sie sich nur sehr wenig dafür interessieren, was um sie herum passiert. So kann man z.B. in der Stadt nach einem Internet-Kaffee fragen, und sie haben keine Ahnung, schütteln den Kopf und verweisen an den nächsten. Da hilft nur Unhöflichkeit und weiterlaufen, sonst ist man im Nu in eine Diskussion mit allen Kindern, Nachbarn, Passanten etc verwickelt, obschon ja keiner weiss, wo sich das Gesuchte befindet. Also geht man weiter und trifft keine 50m weiter auf ein … Internet-Kaffee. Ist das nicht sonderbar? Auch diese Diskussionen sind typisch für die Brasilianer. Sie wollen unbedingt helfen, ziehen alle Register und verstricken einem sofort in endlose Diskussionen. Unser zeitoptimiertes, ziel- und resultateorientiertes Verhalten kennen die da nicht, die Glücklichen!
Heute morgen habe ich also Brasilien verlassen. Zur Sicherheit bleiben Dirk und ich zusammen, wer weiss, was am Zoll alles passieren kann? Zuerst müssen wir durch den brasilianischen Zoll. Für alles gibt es eine Spur: Lastwagen, Busse, Autos, Motorräder, Fussgänger. Wohin fährt man aber mit dem Velo? Etwas fraglos fahren wir im Zoll ein. Nachdem wir ein bisschen rumstehen, kommt ein Zöllner zu mir, ruft einen Kollegen herbei und fordert mich auf, mit ihm mitzugehen. Hat er in mich einen interpoolgesuchten Terroristen erkannt, vermutet er Drogenschmuggel wegen meiner langen Haare? Viele Szenarien gehen mir durch den Kopf. Zum Glück schliesst sich Dirk uns an, so bin ich doch nicht ganz alleine. Wir landen an einem Schalter, und der Zöllner gibt mir zu verstehen, dass er mein Leibchen erkannt hat: „Juve“, Juventus Turin. Der zählt mir alle Brasilianer auf, die in Italien Fussball spielen, er ist begeistert und ich erleichtert. Die Abfertigung ist in wenigen Sekunden erledigt, ich und Dirk können Brasilien verlassen, wir haben den befreienden Stempel im Pass.
Nun sind wir im Niemandsland und müssen in Argentinien reingelassen werden. Kopfnicken, Stempel, wir sind drüben. War ja ganz einfach. Noch schnell Geld wechseln (dazu braucht es in Argentinien einen Pass, obschon ich nur ein paar 100 Dollar wechsle). Ein Riesending, für ein paar Dollars! Na ja, wir sind ja nur Gäste und lassen die Prozedur über uns ergehen. So, jetzt kann es weitergehen. Vorher noch schnell ein Pee-Brake (so nenne wir hier die Pisspausen) und dann weiter. Aber wo ist hier das WC? Natürlich auf der anderen Seite des Zolls. Wir latschen also alle nochmals an allen argentinischen Zöllnern vorbei zurück, erledigen unser Geschäft und watscheln wieder zurück an allen Zöllnern vorbei, kein Problem! So geht das hier.
Der Unterschied zu Brasilien ist gross. In Argentinien spricht man spanisch, in Brasilien portugiesisch. Das ist wohl der grösste Unterschied, der sich auch kulturell niederschlägt. Auch die vielen Kirchen hier sind viel nüchterner gebaut, immer mit einer Mehrzweckhalle und einem Fussballfeld in der Nähe. Die Leute hier sind viel freundlicher, alle winken uns zu oder hupen. Eine andere Welt. Auch die Strassen, perfekt, obschon hier unheimlich alte Autos herumfahren. Die Strassen haben breite Seitenstreifen für uns, ohne Gefahren kommt man da voran. Dafür gibt es hier immer wieder Polizeikontrollen auf der Strasse. Einmal hat mich ein Polizist angehalten und mich auf Spanisch angesprochen. Ich antworte ihm respektvoll in englisch, dass ich seine Sprache nicht verstehe. Sofort winkt er mich weiter. Er wollte nur mit mir quatschen.
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